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mit einer gewissen Consequenz, daß 1340 ein
St. Stcphansaltar im Dome vorhanden und daß dies
der Hochaltar war. Allein die Camcsina'schen
Regesten, welche doch bis 1306 zurückreichen, er
wähnen im ganzen XIV. Jahrhundert weder den
St. Stephansaltar, noch den Hochaltar ausdrücklich.
Nur Vermuthungen könnten über diejenigen Regesten
aufgestellt werden, welche den befristeten Altar nicht
angeben, sondern nur im Allgemeinen „eine ewige hl.
Meß" oder einen „Jahrstag" „zur Pfarrkirche St.
Stephan" u. Ä. betreffen. Für die Zeit Rudolph IV.
und nach ihm nimmt uns das Schweigen nicht Wunder :
denn dieser Herrscher, der am Allerheiligentage 1339
geboren war, hatte eine ganz besondere Devotion für
Religuien und wollte ans der erweiterten Kirche einen
Allerheiligen-Dom schaffen, brachte deshalb eine große
Menge von Reliquien hieher und dürfte wohl auch
den Titel des Hochaltars in „Allcrhciligcnaltar" ge
ändert haben, wie er die Kirche selbst benannte. Von
da an also wird man annehmen dürfen, daß die in
Camesin a's Regesten erscheinende Bezeichnung
„Allerheiligcnaltar" sich auf den Hochaltar beziehe
und daß dies fortdauere, bis die Begründung eines
anderen Allerheiligenaltares in der großen gothischen
Hallenkirche historisch sicher steht (1463 eingewciht),
und der alte Titel „St. Stephan", und zwar allein,
auf dem Hochaltar wieder zur Geltung kani. Daß es
eine Zeit des Ilebcrganges gegeben habe, in welcher
der Hochaltar sowohl St. Stephan- als auch Aller
heiligenaltar hieß, läßt sich aphoristisch annehmen und
wird durch die Urkunden bestätigt. Diesen neuen
Allerheiligenaltar in der Nähe der „unteren Sacristei"
habe ich schon in unserem Blatte (1888, S. 187)
behandelt.
Es ist also beinahe gewiß, daß der Hochaltar im
Mittelchore dem hl. Stephan geweiht war, und
daß, falls Herzog Rudolph IV. nicht auch einen
n e u e n Hochaltar mit einer „Allerheiligen-Darstellung"
verfertigen ließ, er den neuen Titel nur neben den alten
setzen und es durch constante Benennung mit dem
neuen Namen bewirken konnte, daß, je bedeutender der
Neubau sich erhob, auch der neue Namen die Ober
herrschaft erhielt.
Er hat die Pfarrkirche zu einem Dom gestaltet, ein
Domcapitel gegründet und hat mit Beiziehung der
Geistlichen eine Gottcsdienstordnung aufgestellt. Uns ist
diese Vorschrift darum so werthvoll, weil wir aus ihr
mehr über die Hauptaltäre erfahren, als aus einem
ganzen Bündel Regesten. Sie ist datirt vom Ertag
nach Palmtag (28. März) 1363. Es heißt darin, daß
alle Sonntag und Feiertag die feiertäglichen Flügel
an den Retabeln der Altäre ausgemacht werden, ge
wisse Reliquien in Prozession mit Kerzen und Fahnen,
deren Zahl genau bestimmt ist, hernmgctragcn werden
sollen w. Uns ist wichtig, daß der Herzog einen
Frohnaltar hervorhebt, der nur der Hoch
altar sein kann, und daß er diese Ansicht uns
gleichsam aufnvthigt dadurch, daß er den einen der
drei täglichen Domgottesdienste gerade ans ihm zu be
gehen bestehlt: das Frnhamt (Iklissa äs Osaka) auf
unser F r a n e n a l t a r; die llliasa cke omnibno
88. (Montag pro ckekunotis, Donnerstag äs 8.
8aoramsnto, Sonntag äs 88. Drinitats) auf dem
Gottsleichnamsaltar auf dem Grab (d. h. auf der
Herzogengruft im Chore); und dann das „rechte Amt",
das Hochamt (otkivium äs tsmpors aut sanoto),
würden wir nach heutigem Sprachgebrauch« sagen, auf
dem „Frohnaltar". Jeder, der die (in den
alten Direktorien aufbewahrten) Kloster- und Capitel-
gebräuche kennt, wird diese Anordnung als den
selben entsprechend erkennen. Daraus ersehen wir,
daß im neuen Chor zwei Altäre standen: einer, der
Frohn- oder Hochaltar, vorne in der Apsis, der
andere, der Gottsleichnamsaltar, in der Mitte des
Chores, höchst wahrscheinlich so, daß der Stein, der
den Eingang zur herzoglichen Gruft zudeckt, damit in
localer Beziehung stand, also wohl hinter demselben lag,
in einer Entfernung, welche zur Eröffnung der Gruft
und Beisetzung der Leichen nöthig schien. Da nun der
Gruftstein jetzt dort liegt, lvo die Stallen des alten
Priester-Betchores enden, direct an den jetzigen Stufen
zum Hochaltarranm, so sieht man ein, daß der Gotts
leichnamsaltar den Betchorraum zu einer Art abge
schlossenen Heiligthums machte, denn nach Westen
schloß der Lettneraufban, nach Osten der Gottsleich-
namsaltar den Betchor ab.
Wir bleiben beim Hochaltar: neben demselben
muß in der Wand ein Sacramentshaus gestanden
haben, möglich, daß es durch den Anbau der Sacristei
verschwand. Ich folgere dies nicht allein aus der Ana
logie mit Maria Stiegen und der Schottenkirche, son
dern auch aus einer Urkunde (UsA. Cam. 293) vom
Jahre 1429, in welcher der St. Stcphansaltar
neben dem „Leichnam Christi" erwähnt wird. Ich
könnte auch eine Urkunde vom Jahre 1339
(Ogesser, Anhang zur Beschreibung der Mctro-
politankirche, S. 140, den ich als Urkundenbuch —
Og. Urkb. citiren werde) hcranziehen, einen Ablaß
brief des P. Benedict XII., „opus novi obori st
opus novi tabsrnaouli ibiäsm in qao vorpua
Obristi ressrvatvr", allein eine ähnliche Urkunde von
1341 (ibiäsm S. 140) sagt statt: reasrvatur
„portatar", was nur von einer Monstranz erklärt
werden kann, also jedenfalls zur Vorsicht ermahnt.
Ich freilich möchte in letzterer Urk. einen Schreibfehler
annehmcn des die deutschen Verhältnisse nicht kennenden
römischen Schreibers, der auch den Namen des
Bittstellers Perchthold Gewchramcr so unkenntlich
gemacht hat, als es ihm möglich war. — Im Ge-
denkbnche der Gottslcichnams-Bruderschaft wird dieses
Sacramentshaus „OanLsU" genannt. Im Jahre 1509,
Freitag, den 28. Deccmber, als die päpstliche Bulle
betreffend die GottsleichnamSandacht und -Bruderschaft
in die St. Stcphanskirche gebracht wurde, stand das
hochwürdigstc Gut ans dein Ällerscclcnaltar beim Tauf
stein mitten in der Kirche (wohin es vom Sacramcnts-
hause war getragen worden). „Xls nu äaa Aottlieb
amt Aar volbraobt, äa namb äsr Xbbt (äobano
LU äen 8obottsll) äa8 IloobwUräiA 8aoramsnt, trnA
68 mit Aro88sr Lsr, virä, rsusrsntr vuä aolsmnitst
.... Ln äsm OanosU an osin vsroräsnts stak."
— Unter den Wochcnmessen dieser Bruderschaft finden
sich Verfügungen, betreffend die obige Pfintztag- (Donners
tags-) Messe (äe 8. Lasramsnto) und „als offt man