Full text: Wiener Dombauvereins-Blatt Nr. 26 und 27 (2. Serie) 1893 (13.1893,26-27 (2. Serie))

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mit einer gewissen Consequenz, daß 1340 ein 
St. Stcphansaltar im Dome vorhanden und daß dies 
der Hochaltar war. Allein die Camcsina'schen 
Regesten, welche doch bis 1306 zurückreichen, er 
wähnen im ganzen XIV. Jahrhundert weder den 
St. Stephansaltar, noch den Hochaltar ausdrücklich. 
Nur Vermuthungen könnten über diejenigen Regesten 
aufgestellt werden, welche den befristeten Altar nicht 
angeben, sondern nur im Allgemeinen „eine ewige hl. 
Meß" oder einen „Jahrstag" „zur Pfarrkirche St. 
Stephan" u. Ä. betreffen. Für die Zeit Rudolph IV. 
und nach ihm nimmt uns das Schweigen nicht Wunder : 
denn dieser Herrscher, der am Allerheiligentage 1339 
geboren war, hatte eine ganz besondere Devotion für 
Religuien und wollte ans der erweiterten Kirche einen 
Allerheiligen-Dom schaffen, brachte deshalb eine große 
Menge von Reliquien hieher und dürfte wohl auch 
den Titel des Hochaltars in „Allcrhciligcnaltar" ge 
ändert haben, wie er die Kirche selbst benannte. Von 
da an also wird man annehmen dürfen, daß die in 
Camesin a's Regesten erscheinende Bezeichnung 
„Allerheiligcnaltar" sich auf den Hochaltar beziehe 
und daß dies fortdauere, bis die Begründung eines 
anderen Allerheiligenaltares in der großen gothischen 
Hallenkirche historisch sicher steht (1463 eingewciht), 
und der alte Titel „St. Stephan", und zwar allein, 
auf dem Hochaltar wieder zur Geltung kani. Daß es 
eine Zeit des Ilebcrganges gegeben habe, in welcher 
der Hochaltar sowohl St. Stephan- als auch Aller 
heiligenaltar hieß, läßt sich aphoristisch annehmen und 
wird durch die Urkunden bestätigt. Diesen neuen 
Allerheiligenaltar in der Nähe der „unteren Sacristei" 
habe ich schon in unserem Blatte (1888, S. 187) 
behandelt. 
Es ist also beinahe gewiß, daß der Hochaltar im 
Mittelchore dem hl. Stephan geweiht war, und 
daß, falls Herzog Rudolph IV. nicht auch einen 
n e u e n Hochaltar mit einer „Allerheiligen-Darstellung" 
verfertigen ließ, er den neuen Titel nur neben den alten 
setzen und es durch constante Benennung mit dem 
neuen Namen bewirken konnte, daß, je bedeutender der 
Neubau sich erhob, auch der neue Namen die Ober 
herrschaft erhielt. 
Er hat die Pfarrkirche zu einem Dom gestaltet, ein 
Domcapitel gegründet und hat mit Beiziehung der 
Geistlichen eine Gottcsdienstordnung aufgestellt. Uns ist 
diese Vorschrift darum so werthvoll, weil wir aus ihr 
mehr über die Hauptaltäre erfahren, als aus einem 
ganzen Bündel Regesten. Sie ist datirt vom Ertag 
nach Palmtag (28. März) 1363. Es heißt darin, daß 
alle Sonntag und Feiertag die feiertäglichen Flügel 
an den Retabeln der Altäre ausgemacht werden, ge 
wisse Reliquien in Prozession mit Kerzen und Fahnen, 
deren Zahl genau bestimmt ist, hernmgctragcn werden 
sollen w. Uns ist wichtig, daß der Herzog einen 
Frohnaltar hervorhebt, der nur der Hoch 
altar sein kann, und daß er diese Ansicht uns 
gleichsam aufnvthigt dadurch, daß er den einen der 
drei täglichen Domgottesdienste gerade ans ihm zu be 
gehen bestehlt: das Frnhamt (Iklissa äs Osaka) auf 
unser F r a n e n a l t a r; die llliasa cke omnibno 
88. (Montag pro ckekunotis, Donnerstag äs 8. 
8aoramsnto, Sonntag äs 88. Drinitats) auf dem 
Gottsleichnamsaltar auf dem Grab (d. h. auf der 
Herzogengruft im Chore); und dann das „rechte Amt", 
das Hochamt (otkivium äs tsmpors aut sanoto), 
würden wir nach heutigem Sprachgebrauch« sagen, auf 
dem „Frohnaltar". Jeder, der die (in den 
alten Direktorien aufbewahrten) Kloster- und Capitel- 
gebräuche kennt, wird diese Anordnung als den 
selben entsprechend erkennen. Daraus ersehen wir, 
daß im neuen Chor zwei Altäre standen: einer, der 
Frohn- oder Hochaltar, vorne in der Apsis, der 
andere, der Gottsleichnamsaltar, in der Mitte des 
Chores, höchst wahrscheinlich so, daß der Stein, der 
den Eingang zur herzoglichen Gruft zudeckt, damit in 
localer Beziehung stand, also wohl hinter demselben lag, 
in einer Entfernung, welche zur Eröffnung der Gruft 
und Beisetzung der Leichen nöthig schien. Da nun der 
Gruftstein jetzt dort liegt, lvo die Stallen des alten 
Priester-Betchores enden, direct an den jetzigen Stufen 
zum Hochaltarranm, so sieht man ein, daß der Gotts 
leichnamsaltar den Betchorraum zu einer Art abge 
schlossenen Heiligthums machte, denn nach Westen 
schloß der Lettneraufban, nach Osten der Gottsleich- 
namsaltar den Betchor ab. 
Wir bleiben beim Hochaltar: neben demselben 
muß in der Wand ein Sacramentshaus gestanden 
haben, möglich, daß es durch den Anbau der Sacristei 
verschwand. Ich folgere dies nicht allein aus der Ana 
logie mit Maria Stiegen und der Schottenkirche, son 
dern auch aus einer Urkunde (UsA. Cam. 293) vom 
Jahre 1429, in welcher der St. Stcphansaltar 
neben dem „Leichnam Christi" erwähnt wird. Ich 
könnte auch eine Urkunde vom Jahre 1339 
(Ogesser, Anhang zur Beschreibung der Mctro- 
politankirche, S. 140, den ich als Urkundenbuch — 
Og. Urkb. citiren werde) hcranziehen, einen Ablaß 
brief des P. Benedict XII., „opus novi obori st 
opus novi tabsrnaouli ibiäsm in qao vorpua 
Obristi ressrvatvr", allein eine ähnliche Urkunde von 
1341 (ibiäsm S. 140) sagt statt: reasrvatur 
„portatar", was nur von einer Monstranz erklärt 
werden kann, also jedenfalls zur Vorsicht ermahnt. 
Ich freilich möchte in letzterer Urk. einen Schreibfehler 
annehmcn des die deutschen Verhältnisse nicht kennenden 
römischen Schreibers, der auch den Namen des 
Bittstellers Perchthold Gewchramcr so unkenntlich 
gemacht hat, als es ihm möglich war. — Im Ge- 
denkbnche der Gottslcichnams-Bruderschaft wird dieses 
Sacramentshaus „OanLsU" genannt. Im Jahre 1509, 
Freitag, den 28. Deccmber, als die päpstliche Bulle 
betreffend die GottsleichnamSandacht und -Bruderschaft 
in die St. Stcphanskirche gebracht wurde, stand das 
hochwürdigstc Gut ans dein Ällerscclcnaltar beim Tauf 
stein mitten in der Kirche (wohin es vom Sacramcnts- 
hause war getragen worden). „Xls nu äaa Aottlieb 
amt Aar volbraobt, äa namb äsr Xbbt (äobano 
LU äen 8obottsll) äa8 IloobwUräiA 8aoramsnt, trnA 
68 mit Aro88sr Lsr, virä, rsusrsntr vuä aolsmnitst 
.... Ln äsm OanosU an osin vsroräsnts stak." 
— Unter den Wochcnmessen dieser Bruderschaft finden 
sich Verfügungen, betreffend die obige Pfintztag- (Donners 
tags-) Messe (äe 8. Lasramsnto) und „als offt man
	        
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