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früher als der Wächter eine Brunst in der Stadt be
merkt, diesem sie anzeigt, damit er gleich wie sonst
bei Tag die dazu bestimmte Fahne, bei Nacht aber
eine große Laterne mit brennender Kerze in der Rich
tung des entstehenden Feuers ausstecke und alsdann an
die größere Glocke, die in diesem Thurme hängt, an
schlage, welche Glocke insgemein die F euerglock e,dann
auch die Rathsglocke genannt wird, weil mit
derselben nach hl. drei König- und St. Leopoldi-Tag ")
von 5—6 Uhr Früh die jährlichen Ferien aus- und
der Rath eingelüutet wird. — Ferner Pflegt man auch
diese Glocke täglich in der Frühe im Sommer um halb
sieben, im Winter aber um sieben Uhr zu läuten zum
Gedächtnis», daß in solcher Zeit die Stadt Wien von
der türkischen Belagerung befreit worden ist, für welche
große Gnade Gott Dank zu sagen Jedermann durch
diese Glockenstreiche ermahnt wird.
Mit dieser Glocke wird auch alle Sonn- und Feier
tage von halb acht bis acht Uhr das Zeichen zur
Predigt gegeben.
Desgleichen wird sie auch von anno 1679 an des
Tages drei Mal, und zwar im Sommer um 5 Uhr
Früh, zu Mittag und Abends um 8 Uhr, im Winter
aber Früh um 6 und Abends um 7 Uhr, wie auch alle
Sonntage um 4 Uhr zur Litanei, welche vor der Aller
heiligsten Dreifaltigkeits - Säule am Graben gehalten
wird, von den Wächtern am Thurme (gleichwie allezeit)
geläutet.
All' dies geschieht über Anordnung der hohen geist
lichen und weltlichen Obrigkeit Gott zu Ehren und
ewiger Danksagung, daß er diese Stadt Wien von der
lange und jämmerlich grassirenden Pestilenz gnädig be
freit habe.
Gedachte Glocke enthält oben rings umlaufend die
Worte: In nomine katris ob Illlii et Lxiritus
8nnoti: Im Nahmen der heil. Dreyfaltigkeit und
Mariä) nebst der mit alten Ziffern beigesetzten Jahres
zahl 1453.
UVI.
Neben dieser größeren Feuerglocke hängen in diesem
Thurme noch zwei kleinere, von denen Eine das
„S p e i ß - G l ö ck e l" genannt wird, ans dem
Grunde, weil mit derselben das Zeichen gegeben wird,
wenn das hochwürdigste Sacrament zu einem Kranken
getragen werden soll. Dabei ist besonders zu beob
achten, daß man es gewöhnlich zwei, bisweilen aber
auch drei Mal zu läuten pflegt, wenn nämlich die in
selbiger Woche zur Begleitung des hochheiligen Sacra-
mentes bestimmten Kirchendiener noch unterwegs wären,
in welchem Falle dann durch dieses dritte Läuten die
übrigen Kirchendiener ermahnt werden, das hoch-
wertheste Gut sammt dem Priester zu dem Kranken zu
begleiten.
Den gottseligen Stifter dieser Glocke, in deren
oberen Theil oder Kreis die Worte zu lesen sind:
„Gregorins Arnoldt von Wienn goß mich T^nno
Domini 1613" und in deren Mitte sich das Bildniß
der hl. Maria Magdalena befindet, deutet die dem
letzteren beigesetzte Schrift also an: „Thomas Ring,
Im Krakauer Kalender vom Jahre 1726 steht noch der
Zusatz: „jetzt aber Allerheiligen Tag".
Burger deß Äußern Raths und Verwalter der Löbl.
Gottleichnambs-Bruderschaft habe ich und meine Liebe
Haußfran Magdalena dießc Glocken gießen laßen zur
Begleitung deß Hochwürdigen Sacraments." "')
(DXVIl.
Die andere ^°) Glocke, die noch im Thurme hängt,
wird insgemein aber mißbräuchlich „das Prein-Glöckel"
genannt, aus dem vorgegebenen Grunde, daß zur Zeit,
als sie gegossen und in den Thurm gehängt worden,
die sogenannte „Brein - Krankheit" ^) in der Stadt
grassirte und eine große Menge Volks an der
selben gestorben sein soll. Dies ist aber sehr zweifel
haft und mit besserem Grunde wird sie die „P r i m-
G locke" genannt, weil mit ihr, seitdem Rudolph IV.
diese Pfarre zur Probstei erhoben hat, den Chorherren
zur Psallirnng des Lobes Gottes, die Prim genannt,
das Zeichen gegeben wird.
Auf dieser Glocke wird von den Wächtern im
Thurme die kleine Uhr, die nach der großen schlagt,
und auch die Viertelnhr angeschlagen oder ge
zogen.
Ferner pflegt man sic täglich zwei Stunden, und
zwar in der Frühe im Sommer von 3—4, im
Winter aber von 4—5 Uhr und Nachmittag allezeit
eine Stunde vor der Vesper zu läuten, zu welchem
Geläute dem Primglöckler von den Wächtern in der
Frühe eine Viertelstunde vor dem Anfänge und nach
verflossener Stunde zum Anfhören mit einem kleinen
Glöckchen, „so an einem miß dem Thurm inwendig in
die Kirche langenden" Draht hängt, das Zeichen ge-
geben wird.
Diese Glocke ist Alters halber zersprungen und
anno 1675 von Neuem mit dem hl. Crucifix und
dem Bildniß Unserer Lieben Frauen, das Kind auf
den Armen tragend, gegossen worden.
I.XVIII.
Zu gewissen Zeiten pflegen auf diesem Thurme bei
der Uhr die Thürmer (vier Posaunisten, deren
ältester allezeit am Friedhose neben dem Thurme seine
Wohnung hat und zwei Cornetisten) nach allen vier
i Seiten hin zu blasen.
HX.
In derselben Gegend des Thurines, auf dein dritten
Gewölbe, stehen vier kupferne Wasser wannen,
von denen zwei je 8 und zwei je 16, alle zusammen
daher 48 Eimer fassen, damit daraus in vorkommen-
") Der Krakauer Kalender vom Jahre 1726 enthält hier
noch folgenden Zusatz: Die andere Glocke in diesem Thurm
ist das sogenannte Zügen - Glöcklein, welche von dem gott
seligen Fürsten und Bischof Franz Ferdinand von Rummel
gestiftet wnrde und so vst mit dreimaligem Absatz geläutet
wird, als Jemand im Sterben liegt. Damit aber auch in
der Kirche des Sterbenden gedacht werde, so gibt der Thürmer
mit einem Glöckchen, das ebenfalls dazu gestiftet worden,
mittelst eines heruntergehenden Drahtes ein dreimaliges
Zeichen, lieber Bitten des genannten Herrn Bischofs sel. hat
Papst Clemens XI. Jedem, der etwas für die Sterbenden
betet, einen Ablaß von 40 Tagen verliehen.
Im Krakauer Kalender vom Jahre 1726 heißt es:
Die Dritte".
Bräune.