Full text: Wiener Dombauvereins-Blatt Nr. 26 und 27 (2. Serie) 1893 (13.1893,26-27 (2. Serie))

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früher als der Wächter eine Brunst in der Stadt be 
merkt, diesem sie anzeigt, damit er gleich wie sonst 
bei Tag die dazu bestimmte Fahne, bei Nacht aber 
eine große Laterne mit brennender Kerze in der Rich 
tung des entstehenden Feuers ausstecke und alsdann an 
die größere Glocke, die in diesem Thurme hängt, an 
schlage, welche Glocke insgemein die F euerglock e,dann 
auch die Rathsglocke genannt wird, weil mit 
derselben nach hl. drei König- und St. Leopoldi-Tag ") 
von 5—6 Uhr Früh die jährlichen Ferien aus- und 
der Rath eingelüutet wird. — Ferner Pflegt man auch 
diese Glocke täglich in der Frühe im Sommer um halb 
sieben, im Winter aber um sieben Uhr zu läuten zum 
Gedächtnis», daß in solcher Zeit die Stadt Wien von 
der türkischen Belagerung befreit worden ist, für welche 
große Gnade Gott Dank zu sagen Jedermann durch 
diese Glockenstreiche ermahnt wird. 
Mit dieser Glocke wird auch alle Sonn- und Feier 
tage von halb acht bis acht Uhr das Zeichen zur 
Predigt gegeben. 
Desgleichen wird sie auch von anno 1679 an des 
Tages drei Mal, und zwar im Sommer um 5 Uhr 
Früh, zu Mittag und Abends um 8 Uhr, im Winter 
aber Früh um 6 und Abends um 7 Uhr, wie auch alle 
Sonntage um 4 Uhr zur Litanei, welche vor der Aller 
heiligsten Dreifaltigkeits - Säule am Graben gehalten 
wird, von den Wächtern am Thurme (gleichwie allezeit) 
geläutet. 
All' dies geschieht über Anordnung der hohen geist 
lichen und weltlichen Obrigkeit Gott zu Ehren und 
ewiger Danksagung, daß er diese Stadt Wien von der 
lange und jämmerlich grassirenden Pestilenz gnädig be 
freit habe. 
Gedachte Glocke enthält oben rings umlaufend die 
Worte: In nomine katris ob Illlii et Lxiritus 
8nnoti: Im Nahmen der heil. Dreyfaltigkeit und 
Mariä) nebst der mit alten Ziffern beigesetzten Jahres 
zahl 1453. 
UVI. 
Neben dieser größeren Feuerglocke hängen in diesem 
Thurme noch zwei kleinere, von denen Eine das 
„S p e i ß - G l ö ck e l" genannt wird, ans dem 
Grunde, weil mit derselben das Zeichen gegeben wird, 
wenn das hochwürdigste Sacrament zu einem Kranken 
getragen werden soll. Dabei ist besonders zu beob 
achten, daß man es gewöhnlich zwei, bisweilen aber 
auch drei Mal zu läuten pflegt, wenn nämlich die in 
selbiger Woche zur Begleitung des hochheiligen Sacra- 
mentes bestimmten Kirchendiener noch unterwegs wären, 
in welchem Falle dann durch dieses dritte Läuten die 
übrigen Kirchendiener ermahnt werden, das hoch- 
wertheste Gut sammt dem Priester zu dem Kranken zu 
begleiten. 
Den gottseligen Stifter dieser Glocke, in deren 
oberen Theil oder Kreis die Worte zu lesen sind: 
„Gregorins Arnoldt von Wienn goß mich T^nno 
Domini 1613" und in deren Mitte sich das Bildniß 
der hl. Maria Magdalena befindet, deutet die dem 
letzteren beigesetzte Schrift also an: „Thomas Ring, 
Im Krakauer Kalender vom Jahre 1726 steht noch der 
Zusatz: „jetzt aber Allerheiligen Tag". 
Burger deß Äußern Raths und Verwalter der Löbl. 
Gottleichnambs-Bruderschaft habe ich und meine Liebe 
Haußfran Magdalena dießc Glocken gießen laßen zur 
Begleitung deß Hochwürdigen Sacraments." "') 
(DXVIl. 
Die andere ^°) Glocke, die noch im Thurme hängt, 
wird insgemein aber mißbräuchlich „das Prein-Glöckel" 
genannt, aus dem vorgegebenen Grunde, daß zur Zeit, 
als sie gegossen und in den Thurm gehängt worden, 
die sogenannte „Brein - Krankheit" ^) in der Stadt 
grassirte und eine große Menge Volks an der 
selben gestorben sein soll. Dies ist aber sehr zweifel 
haft und mit besserem Grunde wird sie die „P r i m- 
G locke" genannt, weil mit ihr, seitdem Rudolph IV. 
diese Pfarre zur Probstei erhoben hat, den Chorherren 
zur Psallirnng des Lobes Gottes, die Prim genannt, 
das Zeichen gegeben wird. 
Auf dieser Glocke wird von den Wächtern im 
Thurme die kleine Uhr, die nach der großen schlagt, 
und auch die Viertelnhr angeschlagen oder ge 
zogen. 
Ferner pflegt man sic täglich zwei Stunden, und 
zwar in der Frühe im Sommer von 3—4, im 
Winter aber von 4—5 Uhr und Nachmittag allezeit 
eine Stunde vor der Vesper zu läuten, zu welchem 
Geläute dem Primglöckler von den Wächtern in der 
Frühe eine Viertelstunde vor dem Anfänge und nach 
verflossener Stunde zum Anfhören mit einem kleinen 
Glöckchen, „so an einem miß dem Thurm inwendig in 
die Kirche langenden" Draht hängt, das Zeichen ge- 
geben wird. 
Diese Glocke ist Alters halber zersprungen und 
anno 1675 von Neuem mit dem hl. Crucifix und 
dem Bildniß Unserer Lieben Frauen, das Kind auf 
den Armen tragend, gegossen worden. 
I.XVIII. 
Zu gewissen Zeiten pflegen auf diesem Thurme bei 
der Uhr die Thürmer (vier Posaunisten, deren 
ältester allezeit am Friedhose neben dem Thurme seine 
Wohnung hat und zwei Cornetisten) nach allen vier 
i Seiten hin zu blasen. 
HX. 
In derselben Gegend des Thurines, auf dein dritten 
Gewölbe, stehen vier kupferne Wasser wannen, 
von denen zwei je 8 und zwei je 16, alle zusammen 
daher 48 Eimer fassen, damit daraus in vorkommen- 
") Der Krakauer Kalender vom Jahre 1726 enthält hier 
noch folgenden Zusatz: Die andere Glocke in diesem Thurm 
ist das sogenannte Zügen - Glöcklein, welche von dem gott 
seligen Fürsten und Bischof Franz Ferdinand von Rummel 
gestiftet wnrde und so vst mit dreimaligem Absatz geläutet 
wird, als Jemand im Sterben liegt. Damit aber auch in 
der Kirche des Sterbenden gedacht werde, so gibt der Thürmer 
mit einem Glöckchen, das ebenfalls dazu gestiftet worden, 
mittelst eines heruntergehenden Drahtes ein dreimaliges 
Zeichen, lieber Bitten des genannten Herrn Bischofs sel. hat 
Papst Clemens XI. Jedem, der etwas für die Sterbenden 
betet, einen Ablaß von 40 Tagen verliehen. 
Im Krakauer Kalender vom Jahre 1726 heißt es: 
Die Dritte". 
Bräune.
	        
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