Full text: Wiener Dombauvereins-Blatt Nr. 26 und 27 (2. Serie) 1893 (13.1893,26-27 (2. Serie))

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der Feuersnoth das Wasser zum Dämpsen der Flam 
men in aller Eile geschöpft werden könne. 
HX. 
Weil nicht allein im Anfänge, sondern an noch 
mehreren Orten der gegenwärtigen Beschreibung von 
der verwunderlichen Größe des hochberühmten St. 
Stephansthurmes Meldung geschehen ist, so soll 
nun dieselbe durch die Ergebnisse genauer Abmes 
sungen, deren zwei vorgefunden wurden, ausführ 
licher erwiesen werden. Die eine ist in dem kürzlich 
erschienen Buche des berühmten Schriftstellers 
Cuspinian, das den Titel führt: „^.ustrin 
^oannis OllsxiviauiX auf dem 66: Blatte, 
19. Zeile u. ff. enthalten und lautet: 
„ünffkb in uliiiuäiiiL ü, iorrü usquo all 
aoronnm, quu oironitur, äuoontos psäas, ot 
aliquot, juxta msusuram, ui oalaoi, sivs p-oäos 
socrunänm Iiaxialäg-s mousurautui-, na L Nutiw- 
mntiois: L voroua autom u 3 quo all sum- 
mitnbarn oaouiu iiiig 4uo6uto8 onlaeos, und p»o(l 63 
et äeoem, quoä in suinwll Inoit quackrinAknios 
ootoAintn enlveos, nt 3usp»; qui nseonält et 
äeseenäit insiAnis I-ap>ioi<Ia lins ns tempili 
Xreiiiteetus ^In^istei' (iireAooius Ikunser ex 
I'ribni-Zo M 6 u. 3 u 1 g.vit" . . . was zu deutsch also 
lautet: „Er hat in der Höhe von der Erde bis an 
den Kranz, wo man herumgeht, 200 und etliche 
Werkschuh, nach dem Maße, wie die Schuhe von den 
Steinmetzen und den in der Meßkunst Erfahrenen oder 
Ngtlmmgtiois gemessen werden; von dem Kranze 
aber bis in die Höhe des Gipfels 210 Schuh, was 
zusammen 480 Schuh ausmacht, wie cs der berühmte 
Steinmetz dieser Kirche, Baumeister Gregor Hauser 
von Freiburg, welcher selbst auf- uud abgestiegen ist, 
gemessen hat." 
Weil aber diese Beschreibung (es sei dies, ohne die 
Autorität des Verfassers verletzen zu wollen, gesagt) 
nicht wenig dunkel zu sein scheint, weil sie nicht ge 
nugsam die unterschiedlichen Abtheilungen dcs Thurmes 
berücksichtigt, so sei auch die andere hieher gesetzt, 
deren Verfasser ein sehr berühmter Steinmetz war, 
welcher im Jahre Christi 1563 am 21. October den 
Thurm selbst bestiegen, ihn theilweisc auf das Ge 
naueste gemessen und folgende Proportionen gefunden 
hat: Von dem Sterne bis auf den Knopf 5 Schuh, 
welcher Stern 5 Schuh breit und ebenso hoch ist und 
sich nach dem Winde herumtrciben läßt. Der Knopf, 
welcher acht Blätter hat, von denen jedes l'/z Schuh 
breit ist und welcher in der Höhe ebenso wie in der 
Breite .5 Schuh mißt, hat inwendig „über zwerg" 
von einem Grat zum andern iO /2 Schuh. Er faßt in 
sich 8 Metzen Korn oder 6 Eimer Wein. Von diesem 
Knopf abwärts, allwo der Thurm achteckig, jedes Eck 
9 Zoll bis an die Rosen, so in der Vierung 14, in 
der Dicke 3^/z Schuh in sich hält, sind 6 Schuh 
7 Zoll. Oben von dem Knopf bis auf des Knopfes 
Gesims, welches achteckig, jedes Eck 4 Schuh, sind 22, 
von diesem aber bis zur Anschlagglocke 135 Schuh 
5 Zoll; hievon bis an das andere Gewölbe 48 Schuh 
3 Zoll; von diesem (zweiten) bis zum dritten 42'/, 
Schuh; vom dritten bis auf das vierte und letzte 
werden 91, von diesem bis an den Grund des Bodens 
76 Schuh gezählt; daß also die Höhe des Thurmes 
inwendig, so weit er hohl ist, mit 64 Klaftern 
5 Schuh 2^ Zoll, in Allem aber, vom obersten 
Theile des Knopfes bis an den Grund, mit 73'/, 
Wiener Werkklaftern zu rechnen ist. 
Ruft also billigerweise dieses kunstreiche Werk schon 
beim bloßen Betrachten große Verwunderung hervor, 
so wird es noch mehr von Jenen gepriesen, welche den 
Thurm selbst besteigen, was nicht selten zu geschehen 
pflegt. Es bedarf jedoch hiezu der Bewilligung des 
Herrn Bürgermeisters, welche dem Thürmer mittelst 
eines Zettels angezeigt wird. 
Anfangs über 553 steinerne Staffel, sodann über 
sechs Leitern mit zusammen 200 Sprossen, gelangen 
die Besteiger zu der vorerwähnten Anschlag-(Feuer-) 
Glocke, allwo sie gemeiniglich ihre Namen zum Ge- 
dächtniß anzuschreiben Pflegen. Mittlerweile aber wer 
den sie in das Wächterzimmer bei der Uhr geführt, 
um sich dort entweder mit einem Kegelspiel zu be 
lustigen oder die ermatteten Glieder zu erquicken. 
IiXXI. 
Auf dem Knopf dieses Thurmes befindet sich jetzt 
ein achteckiger Stern vomMonde umgeben, 
aus Messing geformt und vergoldet, dessen Ursprung 
etliche mit dem Abzug der Türken nach der (ersten) 
Belagerung der Stadt in Verbindung bringen. 
Als nämlich anno 1529 der türkische Kaiser Soli- 
man II. mit 150.000 Mann die Stadt vom 
21. Septeniber bis 14. October belagert, während 
dieser Zeit sieben Mal vergeblich gestürmt, dabei 
14.000 Mann verloren hatte und überdies von 
einem starken Ersatzhecre des römischen Reiches ver 
nahm, da mußte er wohl mit Spott abziehen, ver 
langte aber noch vor Aufhebung der Belagerung, daß 
der Stern mit dem Monde als Zeichen des türkischen 
Sultans dahin gesetzt werde. 
LXXII. 
Eben dieser Stern steht in gleicher Höhe mit dem 
Marterkreuz auf dem Wienerberg, 
welches von demselben Meister, so den Thurm erbaut 
hat, verfertigt worden ist. 
An dem Kreuz befinden sich zwei Marmelsteinc, 
der eine auf der der Stadt zugekehrten, der andere 
auf der nach auswärts blickenden Seite. Auf beiden 
ist folgende Denkschrift zu lesen: „Gott sei Lob Ehr 
und Danck, daß Raab ist kommen in der Christen 
Handt. Xnno 1598." Diese zwei Denksteine wurden 
von den Türken bei der zweiten Belagerung zer 
schlagen. 
1-XXIII. 
Auf diese St. Stephanskirche und den Thurm sind 
anno 1683, als Mahomet oder Achmet Han, der 
21. türkische Kaiser, durch seinen Großvezier' Kara 
Mustapha Bassa die Stadt vom 14. Juli bis 
12. September mit 216.544 Mann belagern ließ, 
mit großen und kleinen Kugeln über 1000 Schüsse 
d. h. in seinen Theilen.
	        
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