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abgegeben worden, obwohl Se. Excellenz der Herr
Graf Rüdiger Ernst von Starhemberg, derzeit Stadt-
Obrister, bei dem ersten türkischen Anlauf den Groß
vezier ermahnen ließ, er möge den Thurm wegen
des darauf stehenden Mondes verschonen, der ja doch
im vorigen türkischen Kriege über Begehren Solimans
hinaufgesctzt worden sei.
Damit aber die gemachten Wählzeichen, welche mehr
zu des Gebäudes Ruhm und des Feindes Schande
darauf prangen, wieder rcparirt werden, hat der löb
liche Stadtmagistrat dem gewöhnlichen Kirchcn-Stein-
wetz und Baumeister Namens Mathias K n o x, ge
bürtig ans Simmering in Oesterreich, anbcfohlc», den
zerschmetterten Thurm wieder auszubessern. Dabei
wurden zum Gedächtniß an etlichen Orten, wo die
Schüsse angegangen, die K ugeln mit der
Jahreszahl und an einigen Orten auch ans
Stein gehauene T ü r k e n k ö P f e eingemauert.
Von diesen Kugeln ist besonders eine bemerkens
wert!) : die ober der Uhr, gegenüber dem Schlosser-
gäßchen, welche 40 und etliche Pfund wiegt und in
der Vierung 9 Zoll hat.
Diese Reparirnng hat vier Jahre lang gedauert und
3500 fl. gekostet ^).
laXXIV.
Nachdem am 12. September (1683) die Stadt
Wien durch die kaiserlichen Waffen „mit persönlicher
Beyhülff Jhro königl. Maj. anß Pohlen Joannis IIO'',
Jhro Churfürstl. Durch!, anß Bayern Maximilian!
Emanuelis, Jhro Churfürstl. Durch!, anß Sachsen
Joannis Georgii III^ und Jhro Durchl. Carl Hertzog
von Lotring, Jhro K. M. General - Lienthenant",
einiger Reichsfürsten und anderer christlicher Potentaten
wiederum glücklich entsetzt und dabei das ganze hinter-
lasscne feindliche Lager erbeutet worden war, haben
„Jhro Kais. Majestät Unser Allergnädigster Herr"
zwei Tage danach, d. i. am 14. September, durch
das Stubenthor Ihren Einzug in die Stadt genommen
und in der Domkirche im Beisein Ihrer Churfürstl.
Durchl. aus Bayern und Sachsen und anderer hoher
Generalspersonen einem Psäsrmr und Hochamt bei
gewohnt, das um 2 Uhr Nachmittags voni Herrn
Grafen Leopold von K o l l o n i t s ch, Bischof von
Neustadt, unter dreimaliger „Lösung aller Stuckhcn" "°)
gehalten wurde.
Und weil diese Feierlichkeit in I^esto bixnltntionis
vrnvis gefallen, so erinnerte bei derselben
„Jhro fürstl. Gnaden Herr Emericns ^), Bischof
zu Wicnn, Jhro Kaiser!. Majestät nnterthänigst daran,
wie Sie sich schon vorher allergnädigst zu Passau und
Linz zu ^öfteren Malen im geheimen Rath resolvieret
haben, wofern diese Stadt mit göttlicher Beihilfe von
dem Erbfeind befreit werden sollte, anstatr des Sterns
mit dem Halbmond ein Kreuz auf den Thurm setzen
lassen zu wollen. Sie möge sich nun allcrgnädigst ge
fallen lassen anzubefehlcn, daß der Mond und Stern,
b°) Diese Zahlen fehlen in der Handschrift, finden sich aber
im Abdruck des Krakauer Kalenders vom Jahre 1726.
Geschütze.
Krcuzerhöhung.
Sinelli.
die seit der Zeit der ersten Belagerung durch Soliman
auf der Spitze des St. Stephansthnrmes gestanden, herab
geworfen und dafür das hl. Kreuz aufgesetzt und also
recht erhöht werde. Seine Majestät gab allergnädigst
seine Einwilligung dazu und alsbald den Befehl,
das Kreuz, welches dort aufgerichtct werden sollte, zu
verfertigen.
laXXV.
Hierauf meldeten sich wohl Einige, die den Stern
mit dem Mondschein herabnehmen und das Kreuz hin-
aufsetzcn wollten, aber 30-, 20-, 15-, 10- bis 5000
Gulden für das Gerüste und ihre Bemühungen for
derten. Zuletzt kam Einer, Namens Nikolaus R e s-
s y t k o, gebürtig aus dem Dorfe Kobloff, 4 Meilen
von Troppan im Herzogthume Schlesien, welches Dorf jetzt
den Onireg Loaiotnckis -lewr in Troppan zugehörig
(jetziger Zeit aber ist er seßhaft in Brünn) seines Alters
im 56. Jahre, seines Handwerks ein Schiefer- und
Ziegeldcckermcister, mit seinen zwei Söhnen, deren
Einer mit dem Namen L n k a s, 21 Jahre, der
andere mit dein Namen Jakob, 19 Jahre alt war,
und erbot sich Sr. bischöfl. Gnaden zu Raab, Graf
von Kollonitsch gegenüber, welcher auf Befehl
Sr. Majestät des Kaisers in dieser Sache verhandelte,
zur Ausführung um 1000 Gulden und je Ein Kleid
für ihn und seine beiden Söhne, wozu auch die Ein
willigung alsbald ertheilt wurde.
Darauf, am !2. Juli 1686, um 11 Uhr Mit
tags, fing er an, mit seinen Söhnen (denn er konnte
niemanden Anderen dazu gebrauchen) den Thurm
von außen zu besteigen, und zwar um die Gegend,
wo das „Prein-Glöckel" hängt, oder bei dem ersten
Kranz ober der Gallcric, das sich über der Uhr be
findet. Damit die erste Leiter fest stehe, legte er ein
Ladenstnck, das als Unterlage zu dienen hatte, auf die
steinernen Zierathen, dann an das Ende dieser Leiter
wieder ein Ladenstück, stellte abermals eine Leiter
darauf und so weiter noch sieben andere, bis er zu
dem runden Kranz- oder „Traifgesims" gelangte. Die
Leitern trug er selbst eine nach der anderen auf der
Achsel durch die Taxe hinauf und befestigte alle mit
Stricken.
Nachdem er auch noch die zehnte Leiter, die vom
Gesims bis an die Rose reichte, festgcmacht, war die
Arbeit um 4 Uhr Abends fertig. Er brauchte dazu
nur den Einen seiner Söhne, während der zweite auf
dem ersten Laden stehen bleiben mußte, damit
ihnen nicht etwa von Anderen eine Schalkheit an-
gethan werde.
Nach Vollendung dieser Arbeit trank er vor Freuden
einen Angster Wein völlig ans, warf den Becher
über den Thurm herab und begab sich alsdann herunter.
Weil ans den anderen Tag, als den 13., das Fest
der hl. Margaretha fiel, das von ihm gefeiert wurde,
und der nachfolgende 14. ein Sonntag war, so konnte
unter dieser Zeit nichts vorgenommen und »achgearbcitet
werden.
(Fortsetzung folgt.)
HcrauSgegcbcn vom Wiener Doinbouvereinc.
Redaiteur: Prof. Dr. Wilde»» A. Ncumann.
Kanjlei des Vereines: Stadt, fnrsterzbischöfllches Palais.
Druck der k. V jener Zeitung.
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