Full text: Wiener Dombauvereins-Blatt Nr. 26 und 27 (2. Serie) 1893 (13.1893,26-27 (2. Serie))

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abgegeben worden, obwohl Se. Excellenz der Herr 
Graf Rüdiger Ernst von Starhemberg, derzeit Stadt- 
Obrister, bei dem ersten türkischen Anlauf den Groß 
vezier ermahnen ließ, er möge den Thurm wegen 
des darauf stehenden Mondes verschonen, der ja doch 
im vorigen türkischen Kriege über Begehren Solimans 
hinaufgesctzt worden sei. 
Damit aber die gemachten Wählzeichen, welche mehr 
zu des Gebäudes Ruhm und des Feindes Schande 
darauf prangen, wieder rcparirt werden, hat der löb 
liche Stadtmagistrat dem gewöhnlichen Kirchcn-Stein- 
wetz und Baumeister Namens Mathias K n o x, ge 
bürtig ans Simmering in Oesterreich, anbcfohlc», den 
zerschmetterten Thurm wieder auszubessern. Dabei 
wurden zum Gedächtniß an etlichen Orten, wo die 
Schüsse angegangen, die K ugeln mit der 
Jahreszahl und an einigen Orten auch ans 
Stein gehauene T ü r k e n k ö P f e eingemauert. 
Von diesen Kugeln ist besonders eine bemerkens 
wert!) : die ober der Uhr, gegenüber dem Schlosser- 
gäßchen, welche 40 und etliche Pfund wiegt und in 
der Vierung 9 Zoll hat. 
Diese Reparirnng hat vier Jahre lang gedauert und 
3500 fl. gekostet ^). 
laXXIV. 
Nachdem am 12. September (1683) die Stadt 
Wien durch die kaiserlichen Waffen „mit persönlicher 
Beyhülff Jhro königl. Maj. anß Pohlen Joannis IIO'', 
Jhro Churfürstl. Durch!, anß Bayern Maximilian! 
Emanuelis, Jhro Churfürstl. Durch!, anß Sachsen 
Joannis Georgii III^ und Jhro Durchl. Carl Hertzog 
von Lotring, Jhro K. M. General - Lienthenant", 
einiger Reichsfürsten und anderer christlicher Potentaten 
wiederum glücklich entsetzt und dabei das ganze hinter- 
lasscne feindliche Lager erbeutet worden war, haben 
„Jhro Kais. Majestät Unser Allergnädigster Herr" 
zwei Tage danach, d. i. am 14. September, durch 
das Stubenthor Ihren Einzug in die Stadt genommen 
und in der Domkirche im Beisein Ihrer Churfürstl. 
Durchl. aus Bayern und Sachsen und anderer hoher 
Generalspersonen einem Psäsrmr und Hochamt bei 
gewohnt, das um 2 Uhr Nachmittags voni Herrn 
Grafen Leopold von K o l l o n i t s ch, Bischof von 
Neustadt, unter dreimaliger „Lösung aller Stuckhcn" "°) 
gehalten wurde. 
Und weil diese Feierlichkeit in I^esto bixnltntionis 
vrnvis gefallen, so erinnerte bei derselben 
„Jhro fürstl. Gnaden Herr Emericns ^), Bischof 
zu Wicnn, Jhro Kaiser!. Majestät nnterthänigst daran, 
wie Sie sich schon vorher allergnädigst zu Passau und 
Linz zu ^öfteren Malen im geheimen Rath resolvieret 
haben, wofern diese Stadt mit göttlicher Beihilfe von 
dem Erbfeind befreit werden sollte, anstatr des Sterns 
mit dem Halbmond ein Kreuz auf den Thurm setzen 
lassen zu wollen. Sie möge sich nun allcrgnädigst ge 
fallen lassen anzubefehlcn, daß der Mond und Stern, 
b°) Diese Zahlen fehlen in der Handschrift, finden sich aber 
im Abdruck des Krakauer Kalenders vom Jahre 1726. 
Geschütze. 
Krcuzerhöhung. 
Sinelli. 
die seit der Zeit der ersten Belagerung durch Soliman 
auf der Spitze des St. Stephansthnrmes gestanden, herab 
geworfen und dafür das hl. Kreuz aufgesetzt und also 
recht erhöht werde. Seine Majestät gab allergnädigst 
seine Einwilligung dazu und alsbald den Befehl, 
das Kreuz, welches dort aufgerichtct werden sollte, zu 
verfertigen. 
laXXV. 
Hierauf meldeten sich wohl Einige, die den Stern 
mit dem Mondschein herabnehmen und das Kreuz hin- 
aufsetzcn wollten, aber 30-, 20-, 15-, 10- bis 5000 
Gulden für das Gerüste und ihre Bemühungen for 
derten. Zuletzt kam Einer, Namens Nikolaus R e s- 
s y t k o, gebürtig aus dem Dorfe Kobloff, 4 Meilen 
von Troppan im Herzogthume Schlesien, welches Dorf jetzt 
den Onireg Loaiotnckis -lewr in Troppan zugehörig 
(jetziger Zeit aber ist er seßhaft in Brünn) seines Alters 
im 56. Jahre, seines Handwerks ein Schiefer- und 
Ziegeldcckermcister, mit seinen zwei Söhnen, deren 
Einer mit dem Namen L n k a s, 21 Jahre, der 
andere mit dein Namen Jakob, 19 Jahre alt war, 
und erbot sich Sr. bischöfl. Gnaden zu Raab, Graf 
von Kollonitsch gegenüber, welcher auf Befehl 
Sr. Majestät des Kaisers in dieser Sache verhandelte, 
zur Ausführung um 1000 Gulden und je Ein Kleid 
für ihn und seine beiden Söhne, wozu auch die Ein 
willigung alsbald ertheilt wurde. 
Darauf, am !2. Juli 1686, um 11 Uhr Mit 
tags, fing er an, mit seinen Söhnen (denn er konnte 
niemanden Anderen dazu gebrauchen) den Thurm 
von außen zu besteigen, und zwar um die Gegend, 
wo das „Prein-Glöckel" hängt, oder bei dem ersten 
Kranz ober der Gallcric, das sich über der Uhr be 
findet. Damit die erste Leiter fest stehe, legte er ein 
Ladenstnck, das als Unterlage zu dienen hatte, auf die 
steinernen Zierathen, dann an das Ende dieser Leiter 
wieder ein Ladenstück, stellte abermals eine Leiter 
darauf und so weiter noch sieben andere, bis er zu 
dem runden Kranz- oder „Traifgesims" gelangte. Die 
Leitern trug er selbst eine nach der anderen auf der 
Achsel durch die Taxe hinauf und befestigte alle mit 
Stricken. 
Nachdem er auch noch die zehnte Leiter, die vom 
Gesims bis an die Rose reichte, festgcmacht, war die 
Arbeit um 4 Uhr Abends fertig. Er brauchte dazu 
nur den Einen seiner Söhne, während der zweite auf 
dem ersten Laden stehen bleiben mußte, damit 
ihnen nicht etwa von Anderen eine Schalkheit an- 
gethan werde. 
Nach Vollendung dieser Arbeit trank er vor Freuden 
einen Angster Wein völlig ans, warf den Becher 
über den Thurm herab und begab sich alsdann herunter. 
Weil ans den anderen Tag, als den 13., das Fest 
der hl. Margaretha fiel, das von ihm gefeiert wurde, 
und der nachfolgende 14. ein Sonntag war, so konnte 
unter dieser Zeit nichts vorgenommen und »achgearbcitet 
werden. 
(Fortsetzung folgt.) 
HcrauSgegcbcn vom Wiener Doinbouvereinc. 
Redaiteur: Prof. Dr. Wilde»» A. Ncumann. 
Kanjlei des Vereines: Stadt, fnrsterzbischöfllches Palais. 
Druck der k. V jener Zeitung. 
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