Wiener
XIV. Jahrgang. Wien, 25. November 1894. Nr. 31 (2. Serie).
Das Starhkllü'erg-Dknkmal im
St. SteplMsdolne.
Wohl gehörte die Herstellung dieses Denkmals nicht
zu den Agenden des Dombanvereines, denn dafür war
ein eigenes Comite zusammengetreten; allein es Ware
eine Vernachlässigung der Pflichten des Dombauvereins-
Blattes, wenn es über ein so mächtiges Werk, das
unsere Zeit in dem Dome errichtet hat, schweigen
wollte. Die Vorgeschichte ist in unserem Blatte I. Serie,
Sir. 25, 26, 27 vom 22. März und 28. April 1884
berichtet, wo auch schon eine Beschreibung des Ent
wurfes zu diesem Werke zu lesen ist.
Am 13. September l. I. wurde im Beisein Sr.
Majestät des Kaisers das im südlichen Querschiff
unter dem hohen Thurme aufgestellte Meisterwerk
Edmund Hellme r's enthüllt und hiemit eine
alte Dankesschuld Wiens, ja Oesterreichs, abgetragen.
Ausführlich ist all' das, was zur Erklärung des Aus
druckes „Dankesschuld" zu schreiben wäre, von Hof
rath Prof. Dr. Heinrich R. v. Z e i ß b e r g in der
vortrefflichen „Denkschrift zur Erinnerung an die
zweite Türkenbelageruug Wiens im Jahre 1863"
(Verlag von Alfred Holder) geschildert, die trotz ihrer
Kürze kaum ein wesentliches Moment der Verthei-
digung übergeht und in historischer Treue und in
Plastischer Schilderung das Wirken all' der Männer
und Gruppen schildert, welche das Denkmal darstellt,
zu oberst Kaiser und Papst, die vor der hl. Maria
knieen und durch Gebet aber auch durch mate
rielle Beihilfe und Ermuthigung der Vertheidiger mit
halfen zum Siege. Die Denkschrift ist wie ein aus
führliches Programm zu dem Denkmale und müßte
von Jedem studirt werden, der die Gestalten, welche
daselbst zur Darstellung kommen, und ihre Stellung
an dem Werke verstehen will. Die Denkschrift ist selbst
auch ein Denkmal und sollte im Volke wie ein Lese
buch, ein Ansporn zu patriotischem Denken und Handeln,
weiteste Verbreitung finden.
Es wird nicht blos Neugierde gewesen sein, sondern
bei Vielen auch das Verständniß der Bedeutung dieses
Festtages vorausgesetzt werden können, wenn am
13. September schon zwei Stunden vor Ankunft des
Kaisers eine große Menschenmenge bei der Stephans
kirche sich einfand, die, da sie im Dome nicht Platz
fand, wenigstens die Theilnehmer an der Enthüllungs
feier' und nachher, wenn möglich, auch das Denkmal
sehen wollte. Die Spitzen der Gesellschaft, deren
Namen die Zeitungen gebracht haben, eine Anzaht
von Künstlern und Gelehrten und Vertretern solcher
Korporationen, welche ein Interesse am Denkmale
hatten, u. s. w. waren, durch Einladungen herbei
gerufen, im Dome erschienen. Kurz vor 10 Uhr kam
der Kaiser am Riesenthore au, und wurde von Sr.
Eminenz Cardiual-Fürsterzbischof Dr. A. Gruscha,
der Dvmgeistlichkeit und dem Denkmalcvmitl
empfangen und zur Tribüne geleitet. Dort hielt
Se. Eminenz eine schwungvolle, geradezu begeisternd,
Rede über die Bedeutung des heutigen Tages, der
ein Kreuz erhöhungstag im wahren Sinne
des Wortes gewesen ist, und der nicht in Wien, nicht
in Oesterreich allein, sondern auch bei allen christlichen
Völkern auf dem ganzen Erdenkreise als Siegcsfest
gefeiert wird. Der Cardinal meinte hiemit das Fest
Mariä Namen, das jährlich am Sonntage vor Kreuz-
crhöhung gefeiert wird, als Andenken an den 12. Sep
tember, einen Sonntag, „welcher der Welt den Nieder
gang des osmanischen Halbmondes verkünden sollte".
(Sv Z e i ß b e r g, a. a. O. S. 27.) Nach der Rede
des Cardinals gab Se. Majestät das Zeichen zur Ent
hüllung ; dreimaliger Tusch verkündete bis zum Riesen
thore den feierlichen Moment, da die Hülle von dem
prachtvollen Denkmale herabgelassen wurde. Stach Be
sichtigung desselben durch den Kaiser, welcher dabei
freundliche Worte an Se. Eminenz, Beglückwünschungs-
wvrte an den Schöpfer des Werkes, Prof. Edmund
Hellme r, sowie an einzelne Mitglieder des Executiv-
comite's und an den Dombaumeister I. H e r m aun
richtete, wurde von Sr. Eminenz beim Hochaltäre das
Ds veum angestimmt und hierauf die Festscier mit
dem Pontificalsegen geschlossen, llm UrlU Uhr fuhr
der Kaiser, den der Cardinal mit der Geistlichkeit
bis zum Riesenthore begleitet hatte, in die Hofburg
zurück. Tausendstimmige Hochrufe ertönten aus der
^Der Künstler, der das Werk geschaffen, Prof. Edmund
Hellmer, wurde mit kais. Entschließung vom
8. September l. I. mit dem Orden der eisernen
Krone dritter Elaste geschmückt. Der Dombaumeister,
Herr Julius H e r m a n n, der sich auch um die
Aufstellung dieses Monumentes Verdienste erworben
hatte, wurde mit dem Ritterkreuz des Franz Joseph-
Ordens ausgezeichnet.
Prof. Dr. W. A. Neuman n.