Full text: Wiener Dombauvereins-Blatt Nr. 38 (2. Serie) 1896 (16.1896,38 (2. Serie))

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Die älteste Beschreibung d er Metrop o litsn- 
kirche zu St. Stephan. 
(Fortsetzung.) 
DXXXIII. 
Die andere Pforte dieser berühmten Domkirche, 
das Adlerthor genannt (warum man es so 
nennt, ist schon oben gemeldet worden)^), befindet 
sich „umb fast gleiche Gegend als die mehr vermelte 
erste" auf der anderen Seite neben der St. Barbara- 
Kapelle und mündet »ach außen gegenüber dem 
„Zwettlhof", welcher darum so genannt wird, weil 
derselbe vor Zeiten den Herren Prälaten von Zwettl 
zugehörig war, später aber durch Verwechslung mit 
einem in der Nähe von Unserer Lieben Frauen Stiegen 
liegenden Hause, das auch jetzt noch das Zwettlerhaus 
genannt wird, an das Domcapital gediehen ist. 
In den „Zwettlhof" wurde alsdann die Dechantei 
übersetzt. Neben derselben ist eine uralte, zu Ehren 
der hl. Jungfrau und Märtyrin 
Katharina errichtete Kapelle zu sehen, deren 
Alter aus folgender Schrift abzunehmen ist, die sich 
dort auf einem Pergament-Blatte befindet: 
„Ximo g-b InsÄrngchioilo Ollristi N66XI1II 
Dominien xroximn xosb Postum 8. Viti Nnrt^- 
ris, oonsoorntg. osb dnoo 6npo11u in sionorom 
8. 6utsiurinno Virginig st Nnrt^ris n Vons- 
rudili Untre Domino NnnoZoläo Dntuvionsis 
Deolosias Dpiseoxo." «ch 
Im Jahre 1214 ist diese Kapelle geweiht worden. 
DXXXIV. 
Abwärts von dieser Pforte ist in einem außen 
„mit einem schwach und vergoldten eyserneu" Gitter, 
innen aber durchaus mit Fresko-Gemälden wohl ge 
zierten Beinhaus als Merkwürdigkeit ein „un 
gewöhnlich-großes Risen-Bain", an drei eisernen 
Ketten an dem Gewölle hängend, zu sehen. 
DXXXV. 
Ober diesem Beinhaus ist in dem unausgebauten 
Thurme mitten in dem großen Fenster ein Raben 
nest mit jungen Raben gemalt, dem die Alten zu 
fliegen, um sie zu ätzen. 
Statt dieser in der Handschrift eingeschalteten Worte steht 
im Krakauer-Kalender v. I. 1727 Folgendes: „ weil 
man ober derselben, auf dem großen un.usgcbauten Thurme 
einen kleinen neuen", (das Glockenhaus, im Volksmunde 
„Bierkrügel" genannt, Anmerkung des Uebers.) „worin die 
große Glocke hängt, ausgcführt und auf die Spitze seines 
kupfernen Daches einen drei Schuh hohen Doppeladler ge 
setzt Hat, der sich nach dem Winde dreht. In dieser Thor 
halle wird noch heutigen Tags all' dasjenige angeschlagen, 
was die hiesige Universität und das wienerische Consistorium 
wollen publiciren lassen." 
Deutsch: Im 1214. Jahre nach der Menschwerdung 
Christian dem Sonntage nach dem Feste des hl. Märtyrer 
Vitus ist diese Capelle zu Ehren der hl. Katharina, Jungfrau 
und Märtyrin, von dem ehrwürdigen Vater und Herrn 
Manegold, Bischof von Passau, geweiht worden." 
'") also westlich. 
Dieses Bild wurde zum Gedächtniß entworfen, 
daß dieser Thurm, ehe man den kleinen darauf ge 
baut und die Glocken dareingehängt hatte, über 
hundert Jahre „gantz öd, wild und verwachsen" 
gestanden ist, so daß die Raben Junge darin ge 
züchtet haben. 
DXXXVl. 
Oberhalb Unserer Lieben Frauen Chor steht eine 
st e i n e r n e Kanzel, auf welcher der hl. 
chouuuss Oupisbrunus Oräinis 8. Prn-n- 
oisoi ungefähr um das Jahr Christi 1452 oftmals 
lateinisch — ist aber von Anderen dem Volk verdeutscht 
worden — gepredigt und mehrmals den Anwesenden 
den Segen ertheilt hat. 
Gegenüber an dem s. g. „Füxelhof" ist noch eine 
andere Kanzel gestanden, die aber bei Erbauung der 
Domherren-Wvhuungen, da sie ein Hinderniß bildete, 
abgebrochen wurde. 
Zu Luthers Zeiten wurden auf den beiden Kanzeln 
Controvers-Predigtcn gehalten. 
DXXXVII. 
Auch dieses zweite Portale ist von einem nicht 
weniger ruhmwürdigen, herrlich gebauten, bis jetzt 
aber nicht ausgebauten Thurme, der von 
dem großen 34 Klafter weit absteht, überragt, dessen 
Stifter König Albrecht V. im Jahre 1412 am 
Donnerstag vor Unserer Lieben Frauen Himmelfahrt 
den ersten Stein mit den gewöhnlichen Ceremonien 
gelegt hat. 
Fortsetzung folgt.) 
Vereinsnachricht. 
Der unerbittliche Tod hat dem Vereinsausschusse zwei seiner 
tüchtigsten Mitglieder entrissen. Am 6. October l. I. ist Bau 
rath Prof. Alois Hauser, Dombaumeister von Spalato 
u. s. w, in Baden bei Wien nach einem langwierigen, 
schmerzlichen Leiden in's bessere Jenseits abberufen worden 
— 28. November ist der durchaus nicht alt zu nennende 
Kunsthistoriker, Regierungsrath Dr. Albert Jlg einem Leiden, 
das in den letzten Wochen acut geworden ist, erlegen. Ihr 
Verlust erscheint bis jetzt fast unersetzlich: es muß schon eine 
Anzahl von tüchtigen Kräften einspringen, um den Platz, den 
diese beiden Männer in der kaiserl. Central-Commission für 
Erhaltung der Baudenkmale, im Alterthumsverein, im Dom 
bauverein u. s. w. als Ausschußräthe, im Museum für 
Kunst und Industrie, in der kaiserl. Stickereischule u. s. w. 
als Lehrer, um die Lücke, die sie in der literarischen Welt 
zurücklassen, auszufüllen. Ueberall, wo die Männer gewirkt 
haben, bewahrt man ihnen ein treues, warmes, ehrendes 
Angedenken. Sie mögen ruhen im Frieden! 
Albrecht V. als deutscher Kaiser II. war im angegebenen 
Jahre nur Herzog von Oesterreich, da er die Krone Ungarns 
erst 1437, Böhmens und die deutsche Königskrone erst 1438 
erwarb. Uebrigens scheint die ganze Angabe des Testarella 
nicht haltbar zu sein. Auch die Jahreszahl 1412 ist falsch, 
es muß 14SO heißen. Vgl. Ogesser, S. 58. 
A. d. R. 
HcrauSgegebe» vom Wiener Dombauverelne. 
Redakteur: Prof. Dr. Wilhelm A. Neumn»». 
Kanzlei deS Vereines: Stadt, fürsterzbischöfliches PalalS. 
Druck der k. Wiener Zeitung.
	        
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