— 152
Die älteste Beschreibung d er Metrop o litsn-
kirche zu St. Stephan.
(Fortsetzung.)
DXXXIII.
Die andere Pforte dieser berühmten Domkirche,
das Adlerthor genannt (warum man es so
nennt, ist schon oben gemeldet worden)^), befindet
sich „umb fast gleiche Gegend als die mehr vermelte
erste" auf der anderen Seite neben der St. Barbara-
Kapelle und mündet »ach außen gegenüber dem
„Zwettlhof", welcher darum so genannt wird, weil
derselbe vor Zeiten den Herren Prälaten von Zwettl
zugehörig war, später aber durch Verwechslung mit
einem in der Nähe von Unserer Lieben Frauen Stiegen
liegenden Hause, das auch jetzt noch das Zwettlerhaus
genannt wird, an das Domcapital gediehen ist.
In den „Zwettlhof" wurde alsdann die Dechantei
übersetzt. Neben derselben ist eine uralte, zu Ehren
der hl. Jungfrau und Märtyrin
Katharina errichtete Kapelle zu sehen, deren
Alter aus folgender Schrift abzunehmen ist, die sich
dort auf einem Pergament-Blatte befindet:
„Ximo g-b InsÄrngchioilo Ollristi N66XI1II
Dominien xroximn xosb Postum 8. Viti Nnrt^-
ris, oonsoorntg. osb dnoo 6npo11u in sionorom
8. 6utsiurinno Virginig st Nnrt^ris n Vons-
rudili Untre Domino NnnoZoläo Dntuvionsis
Deolosias Dpiseoxo." «ch
Im Jahre 1214 ist diese Kapelle geweiht worden.
DXXXIV.
Abwärts von dieser Pforte ist in einem außen
„mit einem schwach und vergoldten eyserneu" Gitter,
innen aber durchaus mit Fresko-Gemälden wohl ge
zierten Beinhaus als Merkwürdigkeit ein „un
gewöhnlich-großes Risen-Bain", an drei eisernen
Ketten an dem Gewölle hängend, zu sehen.
DXXXV.
Ober diesem Beinhaus ist in dem unausgebauten
Thurme mitten in dem großen Fenster ein Raben
nest mit jungen Raben gemalt, dem die Alten zu
fliegen, um sie zu ätzen.
Statt dieser in der Handschrift eingeschalteten Worte steht
im Krakauer-Kalender v. I. 1727 Folgendes: „ weil
man ober derselben, auf dem großen un.usgcbauten Thurme
einen kleinen neuen", (das Glockenhaus, im Volksmunde
„Bierkrügel" genannt, Anmerkung des Uebers.) „worin die
große Glocke hängt, ausgcführt und auf die Spitze seines
kupfernen Daches einen drei Schuh hohen Doppeladler ge
setzt Hat, der sich nach dem Winde dreht. In dieser Thor
halle wird noch heutigen Tags all' dasjenige angeschlagen,
was die hiesige Universität und das wienerische Consistorium
wollen publiciren lassen."
Deutsch: Im 1214. Jahre nach der Menschwerdung
Christian dem Sonntage nach dem Feste des hl. Märtyrer
Vitus ist diese Capelle zu Ehren der hl. Katharina, Jungfrau
und Märtyrin, von dem ehrwürdigen Vater und Herrn
Manegold, Bischof von Passau, geweiht worden."
'") also westlich.
Dieses Bild wurde zum Gedächtniß entworfen,
daß dieser Thurm, ehe man den kleinen darauf ge
baut und die Glocken dareingehängt hatte, über
hundert Jahre „gantz öd, wild und verwachsen"
gestanden ist, so daß die Raben Junge darin ge
züchtet haben.
DXXXVl.
Oberhalb Unserer Lieben Frauen Chor steht eine
st e i n e r n e Kanzel, auf welcher der hl.
chouuuss Oupisbrunus Oräinis 8. Prn-n-
oisoi ungefähr um das Jahr Christi 1452 oftmals
lateinisch — ist aber von Anderen dem Volk verdeutscht
worden — gepredigt und mehrmals den Anwesenden
den Segen ertheilt hat.
Gegenüber an dem s. g. „Füxelhof" ist noch eine
andere Kanzel gestanden, die aber bei Erbauung der
Domherren-Wvhuungen, da sie ein Hinderniß bildete,
abgebrochen wurde.
Zu Luthers Zeiten wurden auf den beiden Kanzeln
Controvers-Predigtcn gehalten.
DXXXVII.
Auch dieses zweite Portale ist von einem nicht
weniger ruhmwürdigen, herrlich gebauten, bis jetzt
aber nicht ausgebauten Thurme, der von
dem großen 34 Klafter weit absteht, überragt, dessen
Stifter König Albrecht V. im Jahre 1412 am
Donnerstag vor Unserer Lieben Frauen Himmelfahrt
den ersten Stein mit den gewöhnlichen Ceremonien
gelegt hat.
Fortsetzung folgt.)
Vereinsnachricht.
Der unerbittliche Tod hat dem Vereinsausschusse zwei seiner
tüchtigsten Mitglieder entrissen. Am 6. October l. I. ist Bau
rath Prof. Alois Hauser, Dombaumeister von Spalato
u. s. w, in Baden bei Wien nach einem langwierigen,
schmerzlichen Leiden in's bessere Jenseits abberufen worden
— 28. November ist der durchaus nicht alt zu nennende
Kunsthistoriker, Regierungsrath Dr. Albert Jlg einem Leiden,
das in den letzten Wochen acut geworden ist, erlegen. Ihr
Verlust erscheint bis jetzt fast unersetzlich: es muß schon eine
Anzahl von tüchtigen Kräften einspringen, um den Platz, den
diese beiden Männer in der kaiserl. Central-Commission für
Erhaltung der Baudenkmale, im Alterthumsverein, im Dom
bauverein u. s. w. als Ausschußräthe, im Museum für
Kunst und Industrie, in der kaiserl. Stickereischule u. s. w.
als Lehrer, um die Lücke, die sie in der literarischen Welt
zurücklassen, auszufüllen. Ueberall, wo die Männer gewirkt
haben, bewahrt man ihnen ein treues, warmes, ehrendes
Angedenken. Sie mögen ruhen im Frieden!
Albrecht V. als deutscher Kaiser II. war im angegebenen
Jahre nur Herzog von Oesterreich, da er die Krone Ungarns
erst 1437, Böhmens und die deutsche Königskrone erst 1438
erwarb. Uebrigens scheint die ganze Angabe des Testarella
nicht haltbar zu sein. Auch die Jahreszahl 1412 ist falsch,
es muß 14SO heißen. Vgl. Ogesser, S. 58.
A. d. R.
HcrauSgegebe» vom Wiener Dombauverelne.
Redakteur: Prof. Dr. Wilhelm A. Neumn»».
Kanzlei deS Vereines: Stadt, fürsterzbischöfliches PalalS.
Druck der k. Wiener Zeitung.