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H i n d e r b a ch, Fortsetzet des Aeneas Sylvius
bei Hormayr (Wien, S. 91). Das erste Mal
wurde sie 1675, das zweite Mal von Franz Joses
Scheiche! (aber erst 1779) umgegossen. (Nach
der jetzigen Inschrift: Franz Josef Scheiche! goß
mich 1779.)
Im oberen Kranze befindet sich die Inschrift: 811
NONM VOLMIMNIM61VN. Auf dem Mantel
das Bild der Dreifaltigkeit in der bekannten Dürer-
scheu Form, und die schmerzhafte Mutter Gottes
mit dem Schwert in der Brust. — Eine Zeit lang
diente diese Glocke als Uhrschelle (Testarello,
DBVBl. II. 106). Jetzt ist sie außer Verwendung
und steht auf dem Kirchenboden.
10. Die Uhrschelle im hohen Thurme wurde nach
Testarello (siehe DBVBl. II, 1897) von Jakob
Straiffing und Peter Obrecht 1449 gegossen.
Es waren dies sehr angesehene Zinngieß-r; denn diese
lieferten auch Glocken. Man vgl. X8H 13.969 (v.
I. 1434); nach X8H 15.171 lieferte Straiffing
im Jahre 1440 ein Glöckel in die neue Schranne
(5 kt Pf. 6 Sch.). Als die Stadt Wien dem geld
bedürftigen Kaiser Sigismund 3000 Gulden lieh,
zeichnete Jakob Straiffing16, Peter Albrecht 12
und ein dritter Zinngießer Erhard Neunkirchner °)
10 Gulden zu dieser Anleihe. Auch Laslas Ratzki,
der von mir bei der ersten Glocke erwähnt wurde,
war ein Zinngießer. Er hat 1487 das Bürgerrecht
erworben.
Bedeutender als Jakob Straiffing war ein
Vetter desselben gewesen, der im Jahre 1424 ge
storben war und ein für jene Zeit bedeutendes Ver
mögen hinterlassen halte: auch Vorräthe an Zinn,
Kupfer und Glockenspeis.
11. Die größte Glocke, welche St. Stephan im
Hochthurme besitzt, kennt Testarello auch nicht,
weil sie erst 1711 gegossen worden ist. Leicht könnte
ein Satz bei Ogesser S. 51, welchen er dem Be
richte des kaiserlichen Stuckgießers Ach am er ent
nimmt, mißverstanden werden, wie cs wirklich
Hormayr, a. a. O. S. 89, thut: „vor dieser
Glocke sei einstens eine andere Glocke hier gehangen,
welche 1708 nach I50jährigem Bestände schon eines
Umgusses bedürftig scheine". Zur Zeit Testarello's
hing keine solche Glocke hier im Hochthurme. Viel
mehr weist die Rechnung 1708—150 auf das
Jahr 1558 und hiemit auf jene Glocke, die im
Jahre 1561 auf dem unausgcbauten (Adler-)Thurm
aufgehängt wurde, welche die Meßner bei St. Stephan
heute die Halbpummerin nennen und ans die wir
später zu sprechen kommen.
Die im Jahre 1711 im hohen Thurm aufgehängte
große Glocke nennt heutzutage der Wiener „Pummerin",
so schon Hormayr, Geschichte 1, II, S. 80. Den
0 Erhard Neunkirchner hat für die Stadt die Örr-
glocke gel esert, welche 3600 kt wog )X8K 13.625), 1424.
— Dies stimmt so auffallend mit unserer u> ter Nr. 7 be-
schOevenen Feuerglocke, daß ich zu der Ansicht gedrängt
werde, unter obigem Erhard sei ui ser E. Neunkirchner
zu verstehen, und die Örrglocke sei gleich der Feuer- oder
Rathsglocke.
Vertrag (der in's „Eisenbuch" eingeschrieben ist) mit
dem Kaiser Josef I. vom Jahre 1710 führt Ogesser
S. 47 an. Die Glocke sollte 304 Centner erhalten,
der Kaiser gab das Metall. Während wir also sonst
— mit Ausnahme der Fürstenglocke — nur die
Stadt und die einzelnen Bürger als Stifter der
Glocken sehen, tritt diesmal der Kaiser selbst als
Stifter eines großartigen Türkendenkmals auf, wie
denn, merkwürdig genug, das neueste Türkcndenkmal
im Dom gerade unter dieser Glocke sich befindet. Das
Metall war nämlich das von verschiedenen türkischen
und anderen Kanonen, und Johann Ach am er goß
diese Glocke „in seinem Hause auf der „Wendelstatt" ?)
(erste Numerirung Nr. 75, genannt zum goldenen
Stuck, aus welchem die jetzige Stuckgasse entstand,
und umfaßt Nr. 143 bis 158 die Area dieses
Hauses") s). Der Magistrat ließ (Ogesser S. 47)
sämmtliche Gewölbe bis St. Stephan gut untersuchen
und so wurde dieselbe, da man dem nicht gleich
mäßigen Zuge der Pferde mißtraute, von 200 Menschen
mit einer Schleife und zwar auf einem Umwege
— um die Stadt herum — da nur Ein Stadtthor
die für die Glocke nothwendige Breite hatte (so nach
Hütter S. 5) und nur hier den unterirdischen
Gewölben der Casematten zu trauen war, zur Stadt
gezogen. Am 14. November 1711 kam sie, gezogen
von 100 Menschen bis vor das Fijcherthor („beim
Rothenthurm"), gezogen durch etlich hundert Mann,
am 5. Dec. aber hinein s), am 6. kam sie beim großen
Kirchenthor an. Am 15. wurde sie vom Fürstbischof
Freiherrn v. Rummel im Beisein des Dompropstes,
des Abtes zu Mölk, des Propstes von Klosterneuburg, der
Aebte von Heiligenkreuz und Schotten, des Propstes
von St. Dorothe, des Abtes von Perneck und des von
Montserrat, des Domeapitels und vieler geistlicher
und weltlicher Personen geweiht.
Die Predigt hielt der Dompredigcr ?. Ignaz
Reiffenstul, 8. I. über den Text IV. Buch
Mosis, 10. Cap., 1. V. Der Prediger sprach darüber,
was die Glockenweihe sei, über ihren Ursprung und
ihre Geschichte, dann über ihre Bedeutung, endlich
über die Wirkung derselben"). — Camesina,
dessen Werke über die Türkcnbelagerung von 1683
(Mitth. des WAV. VIII, S. 135 ff.) ich diesen
Auszug entnehme, führt dann noch an, welche Gelder
überdies von dem Kammeramte der Stadt ausbezahlt
wurden. Besonders interessant in dieser Rechnung ist
der Bericht über den mißlungenen Schwengel, bis end
lich in dem Hammer zu Mürzzuschlag einer ausgearbeitet
wurde, welcher 16 Centner und 25 kt wog und
die rechte Wirkung machte. Doch zersprang auch
dieser Schwengel 1739 beim Festläuten wegen des
Friedenschlusses mit Frankreich, und wurde von einem
Hammerschmied von Piesting ein neuer verfertigt,
') „Wendelstatt" ist Neustist.
") Siehe Hütter, Die große Glocke im XIII. Bd. der
Mitth. des 1VLV, S. 4 (heutzutage Stuckgasse Or.-Nr. 1,
Ecke der Siebensterngasse).
°) Copie tiu>r Handzetchnung, wie die Menschen die große
Glocke ziehen, von Hütter im XIII. Bd. der Mitth. des IVH'.
'") Achammer, kais. Stuck- und Glockengießer, ist av>
Schlagfluß gestorben 8. December 1712, 62 Jahre alt.