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welcher 15 Centner 70 it wiegt. — Durch die
gleichmäßigen Schwingungen wird der lustige Thurm
bau bis hinauf in Wellenschwingungen versetzt, so
daß die Spitze einen Ausschlag von 24 Zoll auf
weist, wie es 1867 durch Prof. Herz nach-
gewiesen wurde. Daher kann die Glocke nicht mehr
geläutet werden, so sehr es den Wienern, hoch und
nieder, erwünscht wäre. Kein Dombaumeister kann
die Verantwortung übernehmen. — Die Glocken in
den Heidenthürmen, die noch dazu sich mit der großen
Glocke nicht vergleichen lassen, sind so aufgehängt,
daß ihre Schwingungen sich gegenseitig aufheben,
weil sie in den enlsprechenden Zeitintervallen zum
Tönen gebracht werden. Die große Pummerin hängt
aber ganz allein da.
12. Ganz hoch oben im Hochthurme hängt dasZügen-
g l ö ck e l, welches seit 1707 in Verwendung ist, ge
gossen von Bartholomäus Kassel. Der Uhrhammer
schlägt die Stunden auf der Uhrschelle, die Viertel
stunden auf dem Zügenglöckel.
13. Wir schreiten nun zum unausgebauten
sog. Adlerthurm vor, welcher die zweitgrößte Glocke
des Domes birgt. Das Volk nennt sie heute dieHal b-
pnmmerin: noch Perg er S. 46 nennt sie
„die Pummerin" (1854), so hat sich der Sprach
gebrauch in 45 Jahren geändert. Testarello be
handelt sie im Z XO und XOI (Dombaublatt II,
S. 156 ff.). Ein Schlosser Felix Fabian, so
heißt es, habe sie 1472 gegossen. Wahrscheinlich war ein
lateinischer Ausdruck, der auch Rothschmied be
deuten kann, in der Vorlage gestanden und daraus
„ein Schlosser" gemacht worden. Denn die Roth-
schmiede waren in Wien die eigentlichen Gießer für
Kupfer und Bronze. Erst später, als das Messing
billig hergestellt werden konnte, haben sich die Gelb-
schmiede, Gelbgießer von den Rothschmieden getrennt.
— Also ein Rothschmied, oder Schmid, nicht im
strengen Sinne ein Schlosser hat die erste große
Glocke von St. Stephan gegossen, und zwar sicher
war sie für den hohen Thurm bestimmt. Die
Glocke wurde aber erst 1479 im Thurme aufgehängt.
Es muß eine ganz besondere Feierlichkeit gewesen
sein. Wie Rudolphs IV. die wcißrothe Farbe liebte,
sogar bei der Kleidung seines Domcapitels zur Geltung
bringen wollte, ebenso hat die Stadt diesmal, wie
auch sonst bei allen festlichen Gelegenheiten, ihre
weißrothe Farbe energisch betont. Wir lesen
in der Kammeramtsrechnung von 1479 (X8H 15.444),
daß ein M. Criston (Wohl Christof) von Stockhach
die große Glocke im St. Stephansthurme auf
gehängt habe: er, wie sein Vetter und ein „Knecht"
(die dabei beschäftigt waren) erhielten ex iussu burger
meister zwo elln zendaldort, r o t germesin, ein ein
per 11 Sch., item zwo elln minus 1 virtail Weißen
zendaldort, die Ellen per 1 Ki; item 4 ellen halben
dort rot und weiß die eln per 4 Sch., item zwo
elln roten und weißen Ulmar parchant, ain eln
per 50 ; item 5 elln plaich Zwillich ain elln per 18 . . .
Diese Glocke war 160 Centner schwer und dauerte
bis in die Mitte des XVI. Jahrhunderts. Sie zersprang
und wurde, weil man sie nicht als Ganzes herab- I
lassen konnte, zerschlagen und stückweise berabgeworsen.
Daß dabei der Thurm jedenfalls wird Beschädigungen
erlitten haben, ist anzunehmen. Aber wir haben keine
Nachricht darüber.
1558 und 1559 goß sie der Stückgießer Urban
Weiß um; er hatte schon 1552 die „Genannten-
Glocke" für den Dom geliefert (siehe oben). Sie
erhielt nun das Gewicht von 208 ^ Centner sammt
dem Schwengel und befand sich zunächst in einem
eigens hergestellten freien Glockenstuhl auf dem Freit-
hofe St. Stephan. Hier wurde sie 1561 vom Bischof
Urban Pfaffst etter von Gurk"), der sich eben in
Wien (wahrscheinlich bei Hofe) aufhielt, zu Ehren des
hl. Johannes Bapt. eingeweiht. Die Inschrift der
Glocke findet sich bei Testarello (Dombaublatt II,
S. 156).
Aber auf dem Freithofe konnte doch die Glocke nicht
immer bleiben. Auf den hohen Thurm wollte man sie,
weil man Wohl die Schwingungen des Thurmes, die
durch das Läuten einer so großen Glocke entstehen
mußten, damals noch berechnen konnte, nicht hängen.
(Anders war es im XVII. Jahrhunderte, da man die
noch größere Josefini'sche Glocke unbedenklich und fast
leichtsinnig in den hohen Thurm versetzte.)
Da man im XVI. Jahrhunderte vom Ausbau des
zweiten Thurmes, des jetzt sogenannten Adlerthurmes,
Abstand nahm, wurde beschlossen, die Glocke auf diesen
Thurm zu schaffen. Kaspar Sapphoy"), bürgerl.
Steinmetzmeister, erbaute oben auf der Plattform des
Thurmstumpfes ein eigenes Glockenhaus, auf dessen
Kuppel am 14. December 1579 der vergoldete Knauf
und am nächsten Tage der Adler aufgesetzt wurde,
nach dem der Thurm jetzt benannt wird. Die Glocke
selber war schon am 12. März jenes Jahres zunächst
in die Kirche, am 13. März an die Stelle gebracht,
wo man sie aufziehen konnte. Erst am 25. April
wurde sie in den Glockenstuhl gebracht, und am
26. April, dem ersten Sonntage nach Ostern, das
erste Mal geläutet.
14. Nach dieser größten Glocke erwähne ich die
sogenannte kleine Glocke, welche Testarello
ebenfalls nicht kennen kann, weil sie lange nach ihm
1772 von Franz Jos. Scheichel gegossen worden
ist. Sie hängt im nördlichen Heidenthurme und hat
die Inschrift: I-XV8 VVO - ?XX 0t>IXI8V8 -
8XXIVX8 - IXVIMII8 - OV0VIV8 - 8MI?I-
woxx (zu ergänzen clslunetis) - VIIXXX 108.
80MI0IH, 0088 NI6I1 IX OVO VVOVOVV-
") 1563 wurde derselbe Bischof von Gurk, Ulrich,
zugleich Administrator des Bisthums Wien, wo er Residenz
nehmen mußte. Er hat 1564 (18. Juni) am Schlüsse einer
Predigt in der Stephanskirche — denn er war ein gepriesener
Kanzelredner — die Erlaubnis unter beiden Gestalten zu
communiciren, verkündet. Das Concil von Trient hatte in
der 22. Sitzung vom 17. September 1562 die Gestattung
des Kelches bei der hl. Communion dem Ermessen des
Papstes anheimgestellt. Ferdinand I. hatte dem Papste dieses
Zugeständniß — sagen wir — abgernngen (Ko pallik,
Register II, S. 115). Da trotzdem die Protestantisirung und
die Verwilderung im Clerus fortschritt, legte Urban 1573
die Administration nieder. Er starb in Gurk am 13. Sep
tember 1573.
") Ueber Sapphoy siehe Dombaubl. II, 70.
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