Full text: Wiener Dombauvereins-Blatt Nr. 7 (3. Serie) 1902 (21.1902,7 (3. Serie))

xx>. Jahrgang. 
Wien, 25. Oktober 1902. Nr. 7 (3. Serie). 
Haustkinnuüerüüitn unseres Domes. 
Gewiß wird es viele interessieren, woher das 
Materiale stamme, aus welchem unser Dom erbaut 
worden ist. Freilich wage ich mich, wenn ich diese 
Arbeit unternehme, auf ein Gebiet, auf dem ich völlig 
fremd bin. Aber auch meine Vorgänger waren es. 
Und von diesen hatte doch nur O g e s s e r, S. 60, 
aus dem Stadtarchive eine maßgebende Nachricht ge 
bracht, welche allem Anscheine nach von Schlager 
und v. Perger herübergenommen wurde. Wenn 
auch ich mich mit der Sache eingehender beschäftige, 
so sind eben zunächst die Kirchenmeisterrechnungen für 
eine bestimmte Anzahl von Jahren des XV. Jahr 
hunderts die maßgebende Quelle. Für die übrigen 
Zeiten aber müssen die Steinproben herhalten, die den 
schadhaften Steinen des Domes entnommen wurden, 
als sie in den Bauhof gebracht wurden, um durch 
neues Material ersetzt zu werden. Bei der Benennung 
dieser Steinproben, sowie bei den sonstigen Angaben 
waren mir in erster Linie maßgebend die Praktiker 
unseres Domes, welche von ihrer vieljährigen Be 
schäftigung bei unserer Restaurierarbeit jeden Stein des 
Domes kennen: der Dombaumeister und Parlier, die 
zudem beim Stcinankauf zusammenwirken, und die 
Steinmetzen des Baues. Natürlich geben sie die landes 
üblichen Bezeichnungen. Diese wurden bestätigt und 
ergänzt durch die wissenschaftlichen Bestimmungen der 
ihnen durch mich vorgelegten Proben, welche in 
dankenswertester Weise die als Baumaterialienkenner 
ersten Ranges berühmten Gelehrten des k. k. natur- 
historischen Museums, Herr Direktor Prof. Th. Fuchs 
und Herr kön. Rat Felix Karrer, mir boten. Ihnen 
allen gebührt mein und der Leser verbindlicher Dank. 
Denn allerdings, wenn nicht jetzt, da noch am Dome 
gearbeitet wird und die am Restaurationswcrke seit 
Jahren beschäftigten Arbeiter noch leben, die von uns 
unternommene Zusammenstellung geleistet wird: die 
kommenden Generationen sind nicht mehr in der Lage 
diese Arbeit zu unternehmen. Denn allzu viel neue 
Steinführungen, als daß solche Arbeit gelingen könnte, 
find seit Dezennien in den alten Bestand des Mauer 
werkes eingefügt worden. Liegt doch schon heute eine be 
deutende Schwierigkeit meiner Arbeit darin, daß ich 
etwa von einem Steine, der unter Dombaumeister 
Ernst oder noch früher eingesetzt wurde, eine Probe 
auswähle, statt einen Quader zu wählen, der wirklich 
vom alten Bestände herrührt und daher allein maß 
gebend sein kann. 
Ein Irrtum schleppt sich durch die tüchtigsten Werke 
anerkannter Gelehrter hindurch, daß der Dom von 
St. Stephan aus Zogelsdorfer Stein erbaut sei: so 
heißt es in dem vom Wiener Altertumsverein hcraus- 
gegebenen Monumentalwerke „Geschichte der Stadt 
Wien", >, S. l, daß das Ricscntor von St. Stephan 
aus dem Nulliporenkalke von Zogelsdorf erbaut sei. 
Diese Behauptung läßt sich, so lange am Riesentor, 
d. h. im Inneren keine durchgreifende Restauration 
gemacht wird, weder behaupten, noch bekämpfen, zumal 
die Tünche und Verwitterung ein genaues Untersuchen 
unmöglich machen und selbst in der Jnnenhalle einige 
Säulen aus der Zeit stammen, da Melly sein 
Werk schrieb und zumal der Sockel der Säulen sicher 
nicht zum ganzen paßt, sondern später untergesetzt 
worden ist. 
Die Erzählung Joh. Wicsuer's, die herrschaft 
lichen Steinbrüche in Zogelsdorf und ihre Geschichte 1894, 
welche schon Sueß in „Der Boden Wiens 1862", 
S. 123, als an Ort und Stelle gehört, anführt, be 
zieht sich nicht auf das Mittelalter: es kann auch gar 
nicht richtig sein, daß schon im Mittelalter 
das Aufblühen der Steinbrecharbeit im Leithagebirge 
mit einem Streite der Zogelsdorfer (Eggenburger) Stein 
metzen im ursächlichen Zusammenhänge stehe. Nach 
meiner Ansicht ist Zogelsdorferstein erst spät im XV. 
Jahrhunderte zum Baue von St. Stephan verwendet 
worden und muß die Behauptung der neuen „Topo 
graphie von Niederösterreich", >. Bd., S. 83, die 
St. Stephanskirche sei aus Zogelsdorferstein gebaut, 
in dieser Allgemeinheit als nicht haltbar bezeichnet 
werden. Sicher haben die Wiener zum Baue der ersten 
kleinen Kirche, wenn sie nicht etwa gar ein Holzbau 
war, ihre Steine nicht von Eggcnburg oder, was fast 
das Gleiche ist, von Zogelsdorf geholt: denn der Weg 
war, selbst wenn der Wasserweg gewählt wurde, allzu 
weit. (Siehe W i e s e r, S. 14.) Hatte man doch seit 
alter, seit Römerzeit in der Umgebung Wiens, sowohl 
im Wiener Wald als auch im Leithagebirge, ein 
prächtiges Steinmateriale und waren sicher nicht alle 
Steinbrüche, welche die Römer ausgebeutet haben, un 
bekannt. Im schlechtesten Falle hatte man alte römische 
Steinbrüche aufzusuchen und abzuräumen. Nach Eggen 
burg zu gehen lag, keine Notwendigkeit vor.
	        
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