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Der älteste Teil des Domes ist das Westportal.
Aber gerade es entzieht sich bis heute der praktischen
Erforschung seines Materiales. Mit der Wahr
scheinlichkeit, daß letzteres eben doch nur etwa Kalk
sandstein sein werde, müssen wir uns begnügen.
Melly spricht S. 93 vom Sandstcinmatcriale, das
behufs der Polychromierung mit einem feinen Farb-
grunde überzogen wurde. An den Säulen, deren
einige Melly als modern bezeichnet, sind, wie der
Dombaumeister mir sagt, eine feinere und eine
gröbere Steingattung deutlich unterscheidbar. — Der
äußere, verengende Spitzbogen ist anerkanntermaßen
jünger; die beiden spätestgotifchen (schon in der sonst
als Renaissancezeit genannten Periode eingesetzten)
Stabkapitäle, wie die sonderbar profilierten Gewände
pfeiler wurden mehrmals, zuletzt unter Schmidt
erneuert, nämlich als man das Rokokogitter einsetzte
und als man es entfernte, damit es einem neugotischen
Gitter Platz gebe. Also auch von da aus kann es keinen
berechtigten Schluß auf das Materiale des ersten
Portalbaues geben.
Vom Portalvorbaue konnte ich Proben erhalten : 1902
wurde im Mai die geborstene, den Passanten ge
fahrdrohende große Deckplatte der Löwennische an der
rechten (südlichen) Flanke des Vorbaues, entfernt und
die Lücke mit einem Holzblocke gepölzt, da auch die
eingefügte Säule gebrochen und nun auch zu kurz
war. Die Steinmetzen bezeichnen den Stein als
mittelharten Kaiserstein (d. h vom Kaisersteinbruch im
Leithagebirge). Allerdings gibt es auch heute einen
harten und weniger harten Stein in jenen Stein
brüchen, die dem Stifte Heiligenkreuz als Grundherrn
zugehören. Allein daß diese Brüche schon im Mittel-
alter ausgebeutet worden seien, davon finde ich bis jetzt
nichts in den gedruckten Geschichtsquellcn des Stiftes.
9. Malachias K o l l, der erste Geschichtsschreiber
des Stiftes, der sein Werk 1834 in Druck legte,
nennt eine Urkunde von 1590 die erste, welche den
Ort Steinbruch erwähne (S. 230). Freilich könnte
doch der Steinbruch in Benützung gestanden haben,
aber Urkundliches existiert darüber nicht. — Meine
gelehrten Gewährsmänner benannten die Probe, die ich
ihnen von der Löwennische brachte, lockeren Nulliporen-
kalk von Maria-Enzersdorf oder Brunn am Gebirge,
eine Angabe, welche zu den Verhältnissen des ersten
Wiener Monumentalbaues ganz gut paßt.
Eine zweite Probe erhielt ich von jenem Quader,
aus welchem die erste Konsole links ober dem Spitz
bogen des Tores geschnitten ist: also ganz
sicher vom ersten Portalbau Der Bruch
des Steines war Wohl weniger tief in der Farbe als
die Probe Nr. 1, sonst aber stimmten beide Gewährs
männer dafür, daß der Stein etwa aus Maria-Enzersdorf
oder Brunn stamme, von der Grenze des Kalkgebirges.
Eine dritte Probe erhielt ich vom Portalvorbau:
ein Stück mit der Holkehle unter der jetzigen schiefen
Bekrönung des Portales. Zu meiner Überraschung be
nannten die Herren Direktor Prof Th. Fuchs und kön.
Rat Karrer das Stück übereinstimmend alsZogels-
dorfer Stein und zeigten mir die völlig gleiche
Probe in der Baumaterialiensammlung des kais. Hof
museums.
Da ich heute documentarisch Nachweisen kann, daß
die jetzige Umgestaltung des großen Fensters an der
Westfassade im Jahre 1422 sich vollzogen habe, so
wäre hiemit nachgewiesen, daß ungefähr 1422 wirk
lich Zogelsdorfer Stein am Baue verwendet worden
sei: wenn — nun wenn ich nicht etwa eine Führung
in die Hand bekommen habe, welche aus der Zeit des
Dombaumeistcrs Ernst hier eingesetzt wurde. Die
hoffentlich nahe Wegräumung dieses Daches zum Be
hufs der Sicherung des Baues wird vielleicht die Ge
wißheit bringen.
Eine vierte Probe vom romanischen Radfenster
rechts wies eben auch „mittelharten Kaiserstein" auf
— Eine andere Probe Wies auf Margareter
stein: ob aber im X!!l. Jahrhundert schon so weit her
die Steine geholt worden seien, oder ob ich nicht
auch diesmal ein unter Dombaumcister Ernst ein
gesetztes Stück erhalten habe, ist eben nicht zu sagen.
Das Stück war so verwittert, wie irgend ein anderes.
— Im selben Fenster fand ich Proben eines gröblwen
Steines: von der Mediterranstufe des miocänen Wiener
Beckens.
Die Heidentürme: oben an der gotischen
Abdeckung des XVI. Jahrhunderts mittelharter Kaiser
stein: Nnlliporenkalk und Joiserstein, d. h. miocäner
Kalksandstein. — Vom Hauptgesimse abwärts harter
Lcithakalk, wie er bei Baden oder bei Lindabrunn
lVöslau) bricht und noch heute am Dome in Ver
wendung steht. Die untere Partie weist auf eine Zeit
der Not an Passendem Steinmateriale hin, wenn
nicht etwa hier an eine Restaurationscpoche zu denken
ist: zumeist mittelharter Kaiserstein.
Der Zeit nach folgt der g o t i s ch e C h o r b a u,
cingeweiht 1340. Der Bau ist, nach dem Befunde des
Dombaumeisters Ernst, nicht in der sorgfältigsten
Weise aufgeführt worden. Wahrscheinlich mangelte das
Geld; ob und wie weit das neue Herrscherhaus sich
am Baue beteiligt habe, ist unbekannt. Das Mauer
werk weist auf: Kaiserstein, Badncr harten Stein,
und Höfleiner; bezeichnend ist hier die Verwendung des
eocänen Wiener Sandsteins, Schleifstein*), wie
er in Gablitz, bei Rekawinkel, Greisenstein, Höflein
u. a. getroffen wird. Er erscheint an den Fenster
gewänden, an Pfeilern und sonst.
Beim hohen Tur m e, namentlich dem Turm
helm kann die Untersuchung des Gesteins leicht in
Irrtum führen. Wie sich aus den Rechnungen, die
wir bald vorführen werden, ergibt, dürfte ursprüng
lich fast nur der sehr gediegene Mannersdorfer zu dem
1433 vollendeten Helme verwendet worden sein, ob
schon deshalb anderer Stein nicht ausgeschlossen war.
Aber so blieb es nicht: 1449 brannte der Turm aus;
1514 drohte der Gipfel den Einsturz; 1519 wurde
er wieder hergestellt; das XIX. Jahrhundert
brachte gründliche, mehrmalige Auswechslung schadhaften
Gesteins. Wer aus Proben, die er jetzt vom Turm-
*) Den „Schleifstein" bezogen die Hamburger nicht vom
Leithagebirge, sondern holten ihn zu Wasser aus Wien
(1351. Rechte der Hamburger au der Burg- und Wassermaut
zu Wien, bei Tomaschek, Gesch.-Quellen der Stadt Wien,
I, S. 126); ein Zeichen, daß er entweder von Greifen stein
oder Höflein a. D. nach Wien gebracht worden sein durfte.