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Umgestaltung vorgebrachten Gründe nicht stringent
genug sein. (S. 8 und 9.) Aber so ausführliche
Arbeiten, wie die des Dr. Paul Müller und
des Herrn Prof. Dr. S w o b o d a, sind ja von
Schmidt und seinem Anhängern gar nicht erschienen.
Alles, was vorgebracht wurde, war, wie das Projekt
selbst, oberflächlich. Und auch diese unsere Beiträge
messen nicht jeden Stein ab, sondern beruhen aus
den erst ans dem letzten Jahre stammenden Einzel-
messnngcn der Dombauhüttc. — Und nun gesteht
Res. es ja zu, daß das S ch m i d t sche Projekt
in einen Stein des Kordongesimses einschneiden
müßte, wenn cs definitiv würde. Aber von
einem Entwürfe und dem zum Behufe des Ver
ständnisses der Laien gezeichneten ersten Auf
riss c bis zur definitiven, allseitig entsprechenden
Zeichnung und bis zu der dem Steinmetzen vor-
zulcgenden Schablone ist ein weiter Weg, der durch
das Feld der Erfahrungen am Objekte selbst (Los
legung der späteren Ergänzungen) führt. So muß
der Gemälderestanrator oft genug nicht den Schmutz
allein, sondern auch Übermalungen der „Restau
ratoren" entfernen, um sein verständiges, oft recht
kleinliches Ergänzen wirklich verloren gegangener
kleiner Farbpartien beginnen zu können. — Das
Schmidt sche Projekt kann im ganzen richtig
sein, während die Lösung der Fragen um den
äußersten Abschluß seines Rundbogens (S. 24), des
Sockels n. s. w. bestritten werden kann und darf.
Denn nur so ist eine Verbesserung des Ganzen
möglich. Aber das Projekt ist wirklich im
ganzen richtig. Der Schluß Schmidts über
die Gestaltung der Vorhalle ans den vorhandenen
Wulstansätzen hinter den Apostelfiguren derselben ist
richtig. Der Augenschein lehrt, daß diese Wülste
ehemals wirklich bis zum Scheitel des Tonnengewölbes sich
erhoben haben und daß später der Birnstab auf sic
gesetzt worden sei, der ans die Scheitel der Apostel-
figurcn sich stützt. Der Schluß auf die Zweiteilung
dieses Gewölbes ist richtig. Und daß der jetzt ver
kürzte Teil des Gewölbes ehemals die gleiche Aus
dehnung mit dem anderen Teile hatte, das lehrt der
Augenschein auch ohne Messung. Auch die Bloß
legungen, welche der Dombaumeister in diesem Teile
der Vorhalle an der rechten (südlichen) Ecke an der
Außenwand machte, beweisen die allgemeine Richtigkeit des
Schmidt schcn Projektes. Denn deutlich zeigt es
sich, daß die Wand der Vorhalle sich im Innern
der Vorgesetzten (Kulisscn-)Wand sortsctzt, nach
außen zu. Bis zu welchem Punkte? Das konnte
bis jetzt nicht erforscht werden. Aber der Dombau-
Meister hat nicht etwa zufällig einen weiter ein
greifenden „Strecker" angeschlagen, denn auch der
Sockel unten setzt sich in der Kulissenwand fort,
nur ist er zum Behufe des Anschmatzens, wenigstens
teilweisen Einbindcns des inneren Teiles der
Kulissenwand größtenteils abgeschlagen worden. Noch
sieht man die „Narben" ! — Wenn der Ornamcnt-
sries von außen sich auf die Innenwand fort-
iiusetzen scheint, bis er an die auch nach Schmidt
achten, wirklich alten Teile trifft, so muß konstatiert
werden, daß dieses Ornament im Innern sich als
eine spätere, nicht mehr so fein gearbeitete Nach
ahmung des äußeren Kämpfergesimses erweist, ja daß
zwei glatte Ersatzstücke (je eines links und rechts) in
dasselbe cingeschobcn sind, weil, wie es scheint, die
ganze Arbeit etwas nachlässig hcrgestellt wurde.
Die echten Bestandteile dürften von innen nach
außen gebracht worden sein.
In feinere Messungen kann Res. sich nicht ein
lassen und fürchtet, daß er schon jetzt in vielen Rede
wendungen dem Laien unter seinen Lesern unver
ständlich geworden sei. Der Rede kurzer Sinn soll sein:
nach den vorhandenen Resten in der kurzen
Vorhalle, auch denen die durch Öffnen von Löchern in
den Ecken gesunden worden sind, stellt sich heraus,
daß dieNord- und Südwand dieser
Vorhalle sich weiter nach außen fort
gesetzt hat. Die Quadern der Kulisscnwand
haben die Ecklösung zugedcckt, so daß sich darüber
streiten läßt, ob eine Säule oder eine Doppclsüule
oder ein stärkerer Pilaster die a lte Ecke gebildet habe. Die
Ecklösung Schmidts ist nichts weniger als definitiv.
Für die Frage, wie weit der Sockel des Innern
sich nach außen fortgesetzt, ob er sich wirklich ganz
um den Portalbau in gleicher Höhe gezogen habe,
um an der Fassadenwand sich tot zu laufen, konnte
Schmidt nur eine Hypothese (in der Zeichnung)
aufstellen. Wirklich ist eine andere Lösung möglich,
ja wahrscheinlich, mW dürfte sogar richtig sein: daß
der viel höhere Sockel der Fassade hier am Portale
sich wiederholte und an ihn der von innen kommende
Sockel schon bei der Tvrwandung sich totlief. (Die be
treffende Bemerkung des Vers. S. 23 beruht also auf
richtiger Beobachtung.) Doch das alles kann dem
eigentlichen Projekte nicht den Todesstoß versetzen,
sondern bloß das Endnrteil suspendieren, bis man
durch Funde die Wahrheit feststellen kann. Ist aber
die Vorhalle noch etwas länger gewesen, das heißt,
ist noch ein Stück der Wölbung und der Seitenwand
durch die Kulisse gedeckt, dann steht der so entstehende
Grundplan der Vorhalle in genauer Beziehung nicht
zu jenen geschlossenen Vorhallen, welche das
Buch auf S. 21 aufführt, sondern zu den offenen.
Die nächste freilich besitzt das Portale von J ä k,
eine ganz kurze leicht zu übersehende Antritthallc oder
etwas breiteren Eingangsbogen. Häufiger aber
sind solche offene Vorhallen, die, selbst wenn stärkere
Pfeiler ihren Eingang flankieren, doch immer den
Blick aus das vollständige Innere des Trichters
samt der äußersten Archiv ölte nicht be
hindern, in England und Frankreich zu finden. Ja
wir haben an dem Portale von S. Med de Braisne
(Braine) geradezu den gleichen Fall wie in Wien.
Das ist der Schulfall für die Halle von
St. Stephan. Wohl existiert die Westfront nicht mehr,
aber Zeichnungen und Grundrisse. Wir haben hier
freilich eine Doppeltüre im Innern und die spät
romanischen Spitzbögen französischer Kathedralen; «ber
auch den reich verzierten Trichter, die schmucklose
viereckige Vorhalle mit je drei Säulen an der süd-
2 ) Priont, S. Med de Braisne 1859, xt. 1. — Genauer
scheint zu sein: King, Ide stuä^ dook ot in6äi!>.eva1 ru'llditse-
tui-s anä art I. xt. 12. Dehio und Bezold, Taf. 365, 418.