XXIV. Jahrgang.
Der neue St. Leopoldsaltar.
Am Vortage des h. Patrons von Österreich, Leopold
des IV. des Babenbergers, des wahrscheinlichen Be
gründers der ältesten St. Stephanskirche, wnrde der
neue Altar dieses Heiligen eingeweiht: 14. November
1905. Den feierlichen Akt nahm Se. bischöfliche
Gnaden Herr Dr. Gotfried M a r s ch a l l, Gcneral-
vicar unserer Diözese, vor. Die frühe Tageszeit,
1 Uhr morgens, war Schuld, daß außer den assistie
renden Geistlichen nur wenige, zufällig Anwesende
der Feierlichkeit Zeugen waren. Der Altar steht an
der Stelle eines älteren Leopolds- und noch älteren
St. Ulrichsaltars, unter dem Baldachin neben der
„unteren" Sakristei. Es wird uns berichtet, daß den
größten Teil der Kosten des neuen Werkes der hoch
würdige Monsignor Leopold Roßmiller, Sakristei
direktor des Domes, aus eigenen Mitteln getragen
habe. Es war ein neuer Altar zu schaffen, weil der
altere Barockaltar seinerzeit in seinem Oberbau weg
genommen werden mußte, als man den Baldachin
restaurierte. Der Aufbau griff in den Baubcstand
des Baldachins so ein, daß er denselben ernst ge
fährdete und konnte daher nicht wieder aufgestellt
werden, ohne den Baldachin neuerdings zu beschädigen,
-lur das von Altomont e (senior?) gemalte Bild
des Heiligen stand ohne Rahmen und sonstigem Aufbau
die Wand befestigt auf der Mensa. Das Bild
wurde in die Kanzlei der Kirchenverwaltung über
ragen, wo es jetzt aufbewahrt wird. Es ist nicht
agniert, wenigstens konnte ich keine Signatur erkennen.
hat deutliche Züge Altomvnte'scher Malweise, nur
lcheint es mir schwächer zu sein, als Martino Alto-
w o n t e, dessen Leopoldsbild sich in Heiligenkreuz be
endet. Wie an diesem Bilde unten eine Abbildung
Heiligenkreuz zu sehen ist, so gibt der Maler
"es Wiener Bildes unten links ein Abbild der Stadt
^wn von der Leopoldstadt aus. Ein recht beachtens
wertes Bild, wenn nur nicht Willkürlichsten z. B.
an den Turmhelmen der Heidentürme und sonstiges
llvgenaues daran stören würden. — Ich glaube, daß
^wa der Sohn des Martino Altomonte das
gemalt habe. Die Notiz in dem Inventar des
^irchenmeisteramtes gibt nichts an als „Altomonte",
und zwar mit einer sehr jungen Schrift.
Dem Willen des Spenders entsprechend, wurde der
neue Altar in demselben Stile errichtet, den der Bal
dachin ausweist: Spätgotisch. Der Altartisch, auf zwei
Nr. 21 (3. Serie).
Säulchen ruhend, wurde aus farbigem Salzburger
Marmor von der bekannten Steinmetzfirma „Kiefer"
in Salzburg geliefert. Der Aufsatz, aus Holz gefertigt,
besteht aus zwei Teilen, der eigentlichen Predella, in
welcher die Büsten der zwei Landespatrone St. Seve-
rinus (diesmal unbärtig) und St. Coloman, als
Pilger dargestellt, in kleinerem Maßstab ausgestellt
sind. Über dieser Predella erhebt sich der größere
Altaraufsatz, mit der Ganzfigur des h. Leopold, von
zwei Engeln zur Seite und einem Engel über dem
Haupte umgeben, in einer Nische, welche reiche Gotik
in Aufbau und Zier aufweist. Das Statuarische lie
ferte der tüchtige Wiener Bildhauer Ludwig Schadler,
die reichvcrgoldete Ornamentik stammt vom Bildhauer
Linzinger in Linz. Der h. Leopold erscheint
nicht mit der Fahne, sondern mit einem Schilde, der
die fünf Adler von Österreich enthält: er ist ein Ab
bild jener ältesten, kleinen Statue, die den h. Landes
patron darstellt. Friedrich III. hatte die Heiligsprechung
Leopolds in Rom durchgesetzt, vom 6. Jänner 1485
datiert die Kanonisierungsbulle des Papstes Inno
zenz VIII. Nichts war natürlicher, als daß eine
Statue des Heiligen am Denkmal des Kaisers im
Dome angebracht wurde. Sicher ist dies das älteste
Bild des Heiligen als Patron von Österreich. Sein
Abbild steht nun auf dem Altäre, da das Originale
nur schwer im Denkmal herausgefunden werden kann.
To wird der Kanonisirungsakt dem wissenden Be
schauer ins Gedächtnis gerufen Der spätgotische
Baldachin, unter dem der Altar steht, ist ein Meister
stück, dessen Einzelheiten, z. B. das Weglassen der
Säule an der rechten Seite und die feine Lösung
der Gewölbebildnng der aufmerksamen Betrachtung
zu empfehlen sind. Er ist 1448 vom genialen
M. Hans Buchsbaum erbaut worden und hängt mit
einer kleinen Empore zusammen, deren Brüstung aus
dickem Eichenholz verfertigt ist. Ehemals stand auf
dieser eine Orgel. Unter dem Baldachin aber war
der St. Ulrichs altar. Schon im alten Dom
baue hatte ein St. Ulrichsaltar bestanden, wie ich
im Dombaublatte 1887, Nr. 46, S. 181, nach
gewiesen habe. 1343 wurde ein ewiges Licht zu
diesem Altar gestiftet, wahrscheinlich stand er in einem
ebenso finsteren Winkel, wie der spätere Baldachin,
oder wie der heutige Altar, der auch bei Tage immer
Licht haben muß, soll man ihn sehen. Es besteht auch
wirklich eine Lichtstiftung aus dem 18. Jahrhunderte.
1413 wurde der alte Ulrichsaltar verbaut, das heißt,
Wien, 17. Dezember 1905.