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der Neubau i°es Domes verdrängte ihn Die Meß
stiftung wurde auf den St. Blasieualtar in der
Herzogenkapelle übertragen und blieb dort, bis der
neue Baldachin fertig war, 1448, den die reiche
Familie der F ü ch s e l, besondere Wohltäter des Domes
und des Kapitels, gestiftet haben. Die ältere Meß
stiftung stammte von der Familie Graf, die neuere
von den F ü ch s e l. Ein Maler Gries licsirtc
1476 eine Tafel, Wohl St. Ulrich darstellend, zu
diesem Altäre. Den Titel St. Ulrichsaltar bunt
noch Ogesser, S. 129, unter diesem Namen.
Aber schon berichtet er, daß das Altarblatt den
hl. Leopold vorstelle. Von wem und wann das Bild
gespendet worden sei, sagt er nicht. Also erst nach
Ogesser wurde die Benennung nach St. Leopold
eingeführt, und das mit Recht. Es geziemte sich, daß
auch der Landespatron auf eiium eigenen Altar be
sonders verehrt werde. Und zu dieser Verehrung trägt
der neue Altar sicher bei. Bedarf nicht unser Lau»
und unsere Stadt gerade jetzt des besonderen Schutzes
seiner heiligen Patrone?*)
Neuman n.
Jutnlüumskier des Domlmuvereins.
Am 8. November l. I. feierte der Wiener Dvm-
bauverein dos 25jährige Jubiläum seines Bestandes
Das Präsidium hatte die Mitglieder, Gönner und
Freunde des Vereins zu einer Fcstvcrsammlung im
großen Saale des Ingenieur- und Architektentnreins
berufen. Zahlreich fanden sie sich ein. Es wäre schwer,
alle die Namen zu nennen. Wir führen nur wenige
Spitzen an, um nicht ein Verzeichnis geben zu müssen :
Se. bischöfl. Gnaden der hochwürdigste Herr Weih
bischof Dr. Gotfried M a r s ch a l l, Se. Exz. der
Statthalter Graf Kielmansegg, der Leiter des
Ministeriums für Kultus und Unterricht Baron
Bienerth und andere hohe Beamte desselben,
Mitglieder des Domkapitels und der Geistlichkeit des
Domes, zahlreiche Künstler und Schriftsteller u. s. w.
Der Präses C. v. Zumbusch eröffnete die Ver
sammlung mit einer Begrüßung der Anwesenden.
Nach Verlesung der Einläufe (Entschuldigungen und
Depeschen) und der Gratulationsschreiben erteilte der
Vorsitzende dem hochwürdigsten Herrn k. k. Sektions-
chef, Domprälaten rc. Dr. Hermann Zschokke das
Wort zu seinem Vortrage über die Bauperivden
unseres Domes, der hier seinem vollen Wortlaute
nach zum Abdrucke kommt.
Hochau sehnliche Versammlung!
Unter den großartigsten der österreichischen und wir
können Wohl sagen der europäischen kirchlichen Bau
denkmale nimmt der Stephansdom in Wien einen
hervorragenden Platz ein. Mit Stolz und Bewunderung
betrachtet jeder Wiener, ja jeder Österreicher den in
die Lüfte ragenden und nach oben sich allmählich ver
jüngenden Stephansturm, das Wahrzeichen Wiens, ja
ganz Österreichs, und es wird wohl nicht viele Menschen
*) Das Gemälde am St. Josefsaltar trägt
die Signatur Schoomaus 1699, wornach meine Angabe
„Sconzani" (190ö, Nr. 20, S 92, Sp. 1) richtigzustclleu ist.
in der Monarchie geben, die nicht wenigstens dem
Namen nach vom St. Stephansdomc gehört haben.
Dieses kirchliche Baudenkmal ist nicht allein für den
Kunstkenner interessant wegen der Schönheit der Formen,
der Ehrwürdigkeit und Harmonie seiner Verhältnisse
und Zier, wegen der Eigenart seines weltberühmten
Turmes; er ist uns Österreichern und Wienern so
lieb und teuer, weil seiue Geschichte uud Bausormen
uns die Geschichte unseres Vaterlandes, die sich
succedicrendcn Herrschergeschlechter und mit ihnen zu
gleich die schönsten Proben der jeweiligen Künste mit
einem Blicke überschauen läßt.
Weil jedoch alles, was Menschenhand geschaffen hat,
dem ragenden Zahn der Zeit und den zerstörenden
Wetterunbildcn unterliegt, so konnte auch dieses herr
liche Bauwerk, das für ewige Zeiten erbaut schien,
diesen zerstörenden Einflüssen nicht entgehen. Zur Er
haltung nnd Restaurierung des schadhaft gewordenen
Domes wurde im Jahre 1857 ein Baukomitee für
St. Stephan konstituiert, welches die Restaurierungs-
arbeitcn beraten und für den nötigen Aufwand sorgen
sollte. Dank der wohlwollenden Fürsorge der k. k. Re
gierung und der Gemeinde Wien sowie der Spenden
großmütiger Wohltäter waren vom 13. März 1858
bis Ende Mai 1881 1,407.862 fl. 58'/2 kr. zu-
sammeugebracht worden, die für die Restaurierung
verausgabt wurden. Ungeachtet dieser anscheinend be
deutenden Summe befand sich das Innere des Domes
in jenem Zustande der Halbheit, welche in ästhetischer
Hinsicht schlimmer ist, als wenn sich eine restaurierende
Hand nie daran gewagt hätte; leider hatte man da
mals der einfachen alten Bauktugheit wenig Be
achtung geschenkt, daß, wenn auf einmal größere
Summen verwendet würden, billiger zu bauen
wäre. Dieser Zustand konnte nicht für immer so
bleiben, denn wollte man auch die ästhetischen Rück
sichten außeracht lassen, so erheischten doch die scha d-
haften nnd gefahrdrohenden Netz
gewölbe des Langhauses an sich schon eine gewisse
Restauration.
Nachdem der Staat und die Kommune Wien jede
weitere Beitragslcistung verweigert hatten, blieb kein
anderer Ausweg übrig, als das Interesse der Be
völkerung für dieses eminent patriotische Interesse zu
wecken. Schon der für den Dom begeisterte Kardinal
Fürsterzbischof Ritter von Rausche r hatte die kaiser
liche Genehmigung zur Gründung eines Dombau-
vcreincs erwirkt, aber leider waren die Zeitverhält
nisse nicht geeignet, um zur Kräftigung des Fondes
an die Eröffnung neuer Einnahmsquellen denken zu
dürfen. Sein Nachfolger, Kardinal Kutschker, hielt
im Jahre 1880 den einem solchen Unternehmen
günstigen Zeitpunkt für geeignet, und hervorragende
Männer des weltlichen und geistlichen Standes leisteten
dem an sie ergangenen Rufe zur Gründung eines
Dombauvereines freudige Folge. Nachdem man sich der
Gnade Sr. Majestät des Kaisers uud des besonderen
Schutzes weiland Erzherzogs Kronprinzen R u-
dolf versichert hatte, konnte man an die Durch
führung des Plaues schreiten. Das Programm für
die innere Restauration des Domes, welches der Dom-
baumeistcr im Mai 1880 dem Kardinal überreichte,
lautete einfach dahin, den Bau selbst sowie alle darin