der fort und fort auf seine Leistungsfähigkeit unter
sucht werden muß, errichtet worden ist. Die Brände
der Stadt, die im XII!. Jahrhunderte so arg am
Dome hausten, waren in ihren Wirkungen noch 1884
erkennbar. Auch die Erdbeben haben den Dom ge
schädigt, besonders das vom Jahre 1590 (im Sep
tember sich öfter wiederholende), durch das die Turm
spitze abgebogen wurde; Phialen mußten abgenommen
und durch neue ersetzt werden.
Das Wiener Baumateriale ist im ganzen
gut, aber sehr ungleich in der Wettcrbeständigkeit. Wir
freilich verwenden jetzt das beste Material, das zu
haben ist, nicht aber geschah dies beispielsweise im
XIV. Jahrhunderte beim Baue des Chores. Der
Lorettostein, dcr damals verwendet wurde, war sicher
nicht wetterbeständig genug, um 500 Jahre anszu-
halten. Manche Steingattungen, deren Schichten
senkrecht gestellt wurden, sind abgeblättert, wie wir
solche Zerstörungen in Skulpturen der Südostcckc des
Baues sehen können. Manche Steine scheinen außen
intakt; aber unter der krätzigen Oberfläche greift die Ver
witterung den Kern an, macht ihn mürbe, mehlig. Solche
von weitem gesund scheinende Quadern müssen heraus
gestemmt und durch gesundes Material ersetzt werden.
Auch die Nachlässigkeit beim Baue
selbst, die Sorglosigkeit der Konstrukzion, wie sie der
Dombaumeister Ernst in einer Eingabe vom 7. April
1859 konstatiert hat, nötigte ihn und seine Nachfolger
zur Restauration, die nur allzu oft zur Rekonstrukzion
werden mußte, sollten die Bauglieder und mit ihnen
der Bau selbst erhalten bleiben. Die Einzelheiten
würden mich zu weit führen. Sie können dieselben im
Dombanblatte aufgezählt finden. Ich will nur au-
führcn, Was ich vom Dombaumeister Schmidt selbst
gehört habe, „er würde es nie wagen, so sorglos zu
bauen, wie jener Meister, der ganz ohne Bedenken
seine Turmschichten in die alten Bauteile des Chor
baues eingebunden habe". Ungleiche Setzungen im
Langhause schädigten daher den Bau und wurden erst
1882 gut gemacht. Unglaublich leichtsinnig waren die
Pfeiler des Langhauses errichtet; die Eiscuringe, die
die Quadern binden sollten, lagen im Innern frei.
Das Eisen wuchs, da es verwitterte, und sprengte die
Pfeiler. Die den Beter bedrohenden Sprengungen —
Stücke von 47 am Tiefe und noch bedeutenderer Länge
drohten herabzufallen — wurden erst von Schmidt
durch neue, gesundere Steine ersetzt und ein gauz
anderes System der Bindung angewendet.
Die Sorglosigkeit dcr langen Jahrhunderte trug
ebenfalls viel zur Zerstörung bei. Nur den Einsturz
des Turmes, der der Umgebung gefährlich war, suchte
Man zu verhüten. An den Wänden aber flickte man
und behalf sich im Sinne auch der modernsten Denk
malpflege. Man änderte und erneuerte — aus Spar
samkeit, nicht aus Pietät — so wenig als nur mög
lich. Als die Schäden zu klaffend wurden, verstopfte
uian die Risse, übertünchte die Schäden, um sie nicht
M sehen und überließ den kommenden Generationen
die gründliche Ausbesserung. — Das XIX. Jahrhundert
hatte die Pflicht, den Dom gründlich herzustellcn : bei
spielsweise baute es dreimal den Stephanstnrm auf.
Eine andere Gelegenheit, die feinen Gliederungen
des Baues im Innern zu schädigen, sei es durch Auf
trägen von Tünche, sei es durch Herabschlageu des
Zierratwerkes, ist, wie ich glaube, erst im XIX. Jahr
hunderte gründlich beseitigt worden: ich meine das
handwerksmäßige Ubertünchen und das Abstauben
mittels Fuchsschwänzen oder Tüchern, die an hohen
Stangen befestigt waren, und mit denen man nur
erreichte, daß der Staub aufflog und anderswo sich
niederließ und daß gelegentlich eine Knorrc oder ein
Blatt herabgeschlagen oder herabgerissen wurde.
Überblicken wir das Ganze, so zeigt es sich, daß
man anr Turme, wie sonst am Bau, doch nur ziemlich
unverstandenes Flickwerk schuf, oder Überkleisterung der
Schäden, und daß man, seit der Dom beendet war,
bis ins XIX. Jahrhundert ihn wohl für ein groß
artiges Werk in seiner Art hielt, aber überzeugt war,
man könne im Einzelnen besseres schaffen, als jene Jahr
hunderte altväterischer Geschmacksrichtung. Die Innen
einrichtung vollends verwarf man gänzlich, weil der
neue Stil viel schöner sei, so wie die Gotiker aus der
ersten Hälfte des XIX. Jahrhunderts die Werke der
Barocke nicht würdigen mochten. Flickwerk und Stück
werk, so ging es mit der Restauration zu, vom XIII.
bis ins XIX. Jahrhundert.
Nicht eigentlich Restaurierung, sondern simples Ver
stecken vorhandener Schäden war cs, wenn vielleicht
noch im XIII. Jahrhunderte, nach den Bränden von
1276, die Ornamente der Leibungen am romanischen
Portale vollends abgeschlagen und die Wunden mit
Kalk verkleistert wurden. Nicht Restaurierung, aber
Mißachtung des romanischen Stiles war es, wenn
der Vorbau des romanischen Portals oben von einem
Gotiker verstümmelt und unten ein gotisches Tor
vor die romanische Halle gesetzt wurde.
Zum erstcumalc tritt das Wort Renovierung im
Jahre 1459 in den Akten der Wiener theologischen
Fakultät auf: In cksulbutionk ue rsriovationö
IHIssiuö. Es handelt sich also um die Tünchung der
Kirche, die mit einer Renovierung des Chores zu
sammenhing, denn die Einwölbung des Langhauses
war erst vor wenigen Jahren beendet worden. Aber
gelegentlich der Renovierung des Chores gingen, wie
dies auch bei anderen Renovierungen zu geschehen
pflegt, geschichtlich wertvolle Epitaphien zugrunde: sie
verschwanden, weil man sie renovieren wollte, aber sie
wurden zu Tode renoviert, d. h. sie gingen verloren.
Überhaupt waren die Epitaphien schon damals vogel
frei, hier wie anderwärts. In den Wirren dcr pro
testantischen Zeit beeilten sich protestantische Bürger,
die Epitaphien ihrer Angehörigen aus der Mauer von
St. Stephan auszubrechen und in ihren Hauseingüngen
in das Fußbodenpflaster anzubringen. Erst Schmidt
und Hermann ließen den Epitaphien ihre volle
Obsorge angedeihen.
1449 brannte der Turm vollends aus, auch im
Jahre 1514; dcr Turmhelm wurde abgetragen. Die
Arbeit war erst 1519 fertig. M. Grcgori H anse r
wendet zuerst das für solche Zwecke höchst unbrauch
bare Eisen zur Festigung des Turmhelmes an. Die
Türkcnbclagerungeu von 1529 und 1683 machten
eine vier Jahre dauernde Reparatur des Turmes und
des südlichen Seitenschiffes notwendig. Wieder wurde
viel Eisen verwendet, das mit Ölkitt, Gips und
Mörtel eingebunden wurde. So kam es, daß E r n st