Full text: Wiener Dombauvereins-Blatt Nr. 21 (3. Serie) 1905 (24.1905,21 (3. Serie))

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und Schmidt hier zu Renovierungsarbeiten ge 
zwungen waren, gefährlicher und kühner, als viele 
Neubauten. 
Die Klammern von den Sicherungsarbeiten des 
Gewölbes von 1574 habe ich persönlich noch gesehen, 
oben auf dem Gewölbe ober dem Bischosstore. Als 
man die damals größte Glocke 1579 im Adlerturm 
aushing, mußte man das Gewölbe durchbrechen, das 
in ungemein sorgloser Weise für das Auge wieder 
hergestellt wurde. Das Erdbeben von 1590 sei hier 
wegen der notwendigen Reparaturen am Turmhelm, 
und wegen der Restaurierungsarbeitcn, die sicher im 
Jahre 1597 noch im Gange waren, erwähnt. Denn 
dieses Jahresdatum erschien in ein Paar unter 
Schmidt reparierten Baldachiuwänden. Sicher ist 
1596 das Primglöckleintor, 1598 der Hochturm in 
Reparatur. (Strafgelder der Städte Krems und Stein.) 
>636 dürfte das zweite (seit 1459) Anweißen der 
gesamten Wände begonnen haben: ein Name Lucas 
Wo lauf mit dieser Jahreszahl war unter der 
großen Orgelempore in Weißkalk auf den Anwurf 
geschrieben. Ich habe ihn noch gesehen. Aber der 
Ausdruck „Anweißen" ist nicht wörtlich zu nehmen. 
1627 ist nämlich das Jahr, daß die schwarze 
Patina, aus Kalk und Kienruß gemengt, an die Wände 
der Kirche und an die Pfeiler aufgetragen wurde, 
um die Kirche altehrwürdig zu machen und die 
Schäden zu decken. Dafür wurden in jener Zeit die 
farbigen Fenster durch Weiße Tafeln ersetzt. Aber die 
Klagen über den schlechten Bauzustand mehrten sich 
1644, ich weiß nicht, wie sie zum Schweigen gebracht 
wurden. Vielleicht hat gerade eine Untersuchnugs- 
kommissivn bewirkt, daß nichts als eine Ausbesserung 
in einem Eckpfeiler geschah. (Perger, S. 19.) Das freilich 
weiß ich, daß 1647 und 1662 Bauveränderungcn 
im Innern der Hcrzogenkapelle und 1657 an der Tirna- 
kapelle und andere Umgestaltungen stattfanden. 
Überhaupt war die Regierungszeit des Bischofs 
Grafen Brenner 1639—1669 damit ausgefüllt, 
dasjenige im Stile der Barocke auszuführcn, was 
später Erzbischof Milde und Dombaumeister Ernst 
zugunsten der Gotik ins Werk setzen wollten, nämlich 
die Einrichtung des Innern in einheitlichem Stile. 
Nur gelang dein Grafen Brenner sein Werk: er 
führte die Barocke als ausschließlichen, damals modernen 
Stil, der mehr als hundert Jahre herrschend blieb, 
in die Kirche und machte den gotischen Altären 
und Geräten ein vorläufiges Ende, das XVl!!. Jahr 
hundert setzte die Arbeit fort und schloß sie ab. Das 
Gemach links oben auf der Empore erhielt einen 
Rauchfang 1688. Das Hineinschaffen der großen 
Josefinischen Glocke in die Kirche 1711 (die Glocken 
inschrift hat NV60XI) dürste die Schuld sei», daß 
man das Türgewände am Haupttore einriß, dieses 
dann mit Eisenklammern notdürftig sestgemacht wurde; 
kein Tor des Domes war breit genug, um die Glocke 
einzulasse». Diese große Glocke arbeitete seit 171! 
zugleich mit den Stürmen an der Lockerung des Bau 
gefüges am hohen Turme, so daß endlich kaum ein 
Stein desselben festsaß. 
Die Beschädigungen des Domes durch die Franzosen 
1809 (Beschießung der Stadt) waren neuer Anstoß 
zu Restaurationen, zunächst am Singertor, durch den 
Hofarchitekteu Johann Amman, mit sogenannter 
Gotik, einer Bauform, welche hier erst 1895 kunst 
gerechter Gotik Platz machte (Dombauvereins-Blatt II, 
134). Auch an den Turm wagte sich Johann 
Amman 1810 (Inschrift bei Pcrge r, S. 108>; 
das War die erste Erneuerung des Helmes im 
XIX. Jahrhundert. Natürlich wendet auch er das 
Eisen an: er verwendet eine 2500 Pfd. schwere und 
63' — 20 m lange Helmstange und umfängt die 
Turmspitze mit Eisenreifen, die er festschraubt (Donin, 
S. 53). Im Dome selbst nimmt man bei der Neu 
pflasterung alte Grabplatten weg und verkauft sie 
(Dombauvereins-Blatt I, 83). Die Gewölbe melden 
in unliebsamer Weise ihre Schadhaftigkeit an. 1820, 
am 22. Jänner, fällt ein Stein herab, „ganz in der 
Nähe der hohen Geistlichkeit". Die Z i v i l b a u- 
direktiou, die die Arbeit leitete, scheint sehr 
nachlässig gearbeitet zu haben. Der Kirchenpropst 
beklagt sich bitter über sie. — 1824 fiel die Galerie, 
die auf der Fassade sich befindet, herab. Die Landes 
regierung glaubt durch einen Befehl, betreffend die 
Beschleunigung der Berichterstattung über die Ban 
gebrechen, irgend etwas getan zu haben. 
Ammans Eisenkonstruktion am Turmhelm wurde 
immer gefahrdrohender. Die Spitze wich 3' 14//' ^ 
fast 1 ra von der Lotrechten ab, wenn sie in Schwin 
gungen geriet. Steine fielen herab 1838. 1839 wurde 
die Spitze abgetragen. Eine neue E i s e n konstruktion 
mit Manerwcrk verdeckt, 62' — I9 60 m hoch, war 
1842 beendet. Erzbischof Milde hielt am 20. Ok 
tober j. I. die Festrede. Das war sicher der Höhe 
punkt bureaukratischer Kunstübung. 
Der gotische Stil hatte sich in dieser Spitze bewährt: 
so war man überzeugt. Die Romantik feierte ihren 
ersten Triumph und sie blieb lange Dezennien die 
Herrscherin am Dome, leider aber auch fast überall im 
Lande, ja im Reiche bis an die Elbe und Drau und 
Sava, den Oberrhein bis an den Inn, wo sie auch 
jetzt ganz besonders blüht. Ihr ist die Gotik der allein 
kirchliche Baustil und alles, was nicht gotisch ist, muß 
ans der Kirche hinaus. In Wien forderte die Romantik 
1. den Ausbau der unfertigen Dachgiebel des Domes, 
2. die Umgestaltung der Fassade in gotischem Stile, 
3. der Ausbau des zweiten Turmes. Nur das erste 
Petitum ist in Erfüllung gegangen Die Bewegung 
im Sinne der Gotik begann 1852 mit einer begeisterten 
Rede des Grafen O'D o n e l l, der die stilvolle Aus- 
g e st a l t u n g des Domes forderte. Der Gemeinderat 
der Stadt Wien gab noch im selben Jahre dem Rufe 
nach. Der talentvolle Gotiker Leopold Ernst brachte 
1854 die Südgiebel und ihre architektonische Zier 
fertig; die in der gleichen Höhe stehenden Giebel des 
Hochturmcs dienten ihm als Vorbild. 1856 waren auch 
die nördlichen Giebel fertig. (Gemeinderatsbeschluß vom 
15. Juni 1855. — DombauvereiuSblatt!, 63.) 
(Schluß folgt.) 
HerauSgegebcn vom Wiener Dombouvereine. 
Redakteur: Pros. Dr. Wilhelm A. Neumonn. 
Kanzlei des Vereines: Stadt, fürsterzdischäflicheS Palais. 
Druckerei eer l. Wiener Zeitung.
	        
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