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Full text: Wiener Dombauvereins-Blatt Nr. 22 (3. Serie) 1906 (25.1906,22 (3. Serie))

Wiener 
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XXV. Jahrgang. 
Wien, 8. April 1906. Nr. 22 (3. Serie). 
Alte und neue Restaurationen am Dome 
Bortrag von Prof. Dr. W. A. Nenmari». 
(Fortsetzung.) 
Bei der Renovierung und Ausschmückung der 
Barbarakapelle wurde die alle Barockeinrichtung voll 
ständig entfernt. Die Gotik zog wieder in das Innere 
des Domes ein. 
Bei der Renovierung des Bischosstores 1857 kamen 
die herrlichen Skulpturen im Innern eigentlich erst 
zur Geltung. Die Romantik war nun in vollem Zuge, 
sie wäre am liebsten zur Purgierung des Innern von 
allem Barocken geschritten und hätte die ganze Ein 
richtung „in kirchlichem Stile" vergotisiert. Aber 
Kardinal Rauscher dachte auch an die Restaurierung 
des Gesamtbaues. Er fordert vom Architekten 
Ernst Bericht über den Bauzustand; auch das Mini 
sterium fordert einen solchen. Natürlich war dieser 
höchst ungünstig, besonders über den Ostchor. Und so 
erfloß 17. Juni 1857 eine Allerhöchste Entschließung 
Sr. Majestät des Kaisers über eine jährliche Beisteuer 
(50.000 fl. ^ 100.000 Iv) auf fünf Jahre und die 
Bildung eines Dombaukomitees dessen Mitglieder der 
Kard. Erzbischof, der Statthalter von Niederösterrcich, der 
Bürgermeister der Stadt Wien und ein Delegierter 
des k. k. Ministeriums für Kultus und Unterricht 
sein sollten. 
Nun endlich begann eine gründliche Renovierung 
des Domes nach den Flickwcrkcn von 400 Jahren. 
Ernst wurde Dombaumeister, 1858; der alte Ehren 
titel wachte aus. Es ist staunenswert, was Ernst in 
den wenigen Jahren leistete, da er am Dome tätig war. 
Er starb schon 1862. Er renovierte das nördliche und 
südliche Seitenschiff des gotischen Chores im Innern 
und teilweise auch außen, wo er die architektonische 
Gliederung und Zier erneuerte. Er erkannte die Not 
wendigkeit, den Stephanstnrm abzutragen. Von 186 l 
bis 1863 war Wien ohne seinen Hochturm. Ernst 
starb mitten in der Arbeit des Wiedererbauens. Er 
kann als Romantiker bezeichnet werden bei seiner 
Begeisterung für den von ihm meisterhaft vertretenen 
Stil, bei seiner echt künstlerhasten Rücksichtslosigkeit 
gegen dasjenige, was als aus der Barockzeit stammend 
ihm in die St. Stephanskirche nicht zu Passen schien. 
Die Idee, die Fassade völlig umzugestalten, mußte er 
ausgeben; schon Erzbischof Milde war mit solchem 
gewaltigen Eingriffe nicht einverstanden. Ein Fehler 
haftet den Ern st'schen Renovationen an : als Kind ! 
seiner Zeit liebt er den Zement, jenes täuschende 
Baumaterial, das sich durch schnelles Erhärten b-im 
Baumeister in Gunst setzt, um ihn hinterher 
zu äffen. 
Schmälere niemand das Verdienst des tüchtigen 
Meisters Ernst, etwa weil wir neuerdings dort zu 
arbeiten gezwungen sind, wo Ernst seine Arbeit 
begann, bei den Giebeln, die heute — 1905 — wieder 
eingerüstet sind. Ernst hat sein bestes Wissen ein 
gesetzt, den Dom in aller Schönheit herzustellen. Sein 
Nachfolger als Dombaumeister, der herrliche Friedrich 
Schmidt, hätte nicht der gewaltige Gotikcr sein 
müssen, ohne selbst am Anfänge seiner Tätigkeit der 
romantischen Richtung anzugehörcn. Auch er war eben 
ein Kind seiner Zeit: nur daß er sich dnrchrang zu 
weiterem Blick, zu richtigeren Prinzipien der Denkmals 
pflege, die er in Herrlicher Rede hier an der Stelle, 
wo ich jetzt spreche, vertrat (abgedruckt im Dvm- 
bauvereins-Blatt). Als mächtiger Gotiker erwies er 
sich beim Stephans-Turmbau; 1864 wurde das Kreuz 
aufgesetzt, mit genialer Sicherung des Turmhelmes 
gegen die schädlichen Wirkungen der Oszillationen, 
denen ein so hoher und schlanker Gegenstand not 
wendig ausgesetzt ist. Aber erst acht Jahre später 
war der ganze Bau von oben bis unten renoviert. 
Es war ein genialer Gedanke des Kardinals 
Rauscher, den sein Nachfolger durchsührte, daß er, 
um die Wiener Bevölkerung zu regelmäßigen Bei 
trägen zur Domrenovierung heranzuziehcn und diese 
für immer zu sichern und frei zu stellen von der Be 
vormundung, daran dachte, einen Verein von 
Bürgern zu gründen, der die kunstgerechte Restau 
ration und die Ausschmückung des Domes in die Hand 
nehme und mit allen Mitteln der Kunst und Kunst- 
technik vollende. Am 17. November 1880, also fast 
mit dem Tage genau vor 25 Jahren, traten nmcr 
der Ägide des Kardinal Erzbischofes Kutschker sach 
verständige, begeisterte Freunde und Förderer des 
Domes zusammen und bildeten den Dombauverein mit 
dem oben angegebenen Programm. Durch Unterstützung 
Sr. Majestät des Kaisers, erlauchter Mitglieder des 
Allerhöchsten Kaiserhauses, mit Hi!fe des Fürsterz- 
bischofes und des Domkapitels, des Unterrichtsministe 
riums, des Landes Niederösterrcich, der Stadt Wien, 
des Stadterweiterungsfonds und anderer Wohltäter 
wurde der Dombauverein in die Lage versetzt, dem 
alten Dombaukomitee die Agenden abzunehmcn. 
Einige Arbeit am Äußern des Domes, wie an den 
> Ziergiebeln, den Heidentürmen und dem Dachwerke 
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