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kapelle renoviert, ein Hängcgerüste zur Dachgalerie der
Bartolomäuskapelle angelegt und im November der
linke Flügel der Westfassade von der Eingerüstung be
freit. Schon schien der Zeitpunkt der Ausschmückung
der restaurierten Kirche nahegerückt: der edle, für
alle Künstlerstrebung, wie humanitäres Wirken be
geisterte Nik. Dumba schenkte Statuen für die süd
westliche Ecke des hohen Turmes. Aber die Erwartung
wurde getäuscht. Denn es mußte die Dachgalerie der
Schatzkammerkapelle aus Sicherheitsgründen abgetragen
werden. Die Ursache war der tückische Zement. —
1899 waren die Maßwerke und Pfosten der Chor
fenster neben dem Hochaltar fertig. An der Haupt
fassade waren in diesem Jahre die beiden Eckstrebe
pfeiler, das Hauptgesimse, die Dachgalcrie und An
schlußpartie des südlichen Heidenturmes fertigrestauriert.
Wichtig ist die 1900 vollzogene Adaptierung der
ehemaligen Schatzkammer (neben dem Hochaltar) eines
gotisch eingeschossigen Gewölbsraumes als Winterchor
für die Domkapitularen, weil hiemit ein Teil der
alten Regensburger-Bauidee wieder aufgefrischt wurde.
1901 war die Restaurierung des nördlichen Heiden
turmes beendet und wurde die des südlichen aus
genommen. Noch im Oktober war der rechtsseitige
Flügel der Fassade neuhergestellt: die Sockelgliederungen,
die Kapitale der Lisenen, Arkadenfriese, die Rundfenster.
Die Eingerüstung der Mitielpartie der Westfassade
begann. — Aber auch der Streit um das alte
Schmidt'sche Projekt begann von neuem und wurde vom
Ministerium selbst gegen die Ansicht des Kardinals
Erzbischof Gruscha in ablehnendem Sinne beigelegt.
— Die Notwendigkeit, an der Tirnakapelle die mit
Zement eingefügten, nunmehr zerissenen Zierstücke
auszuwechseln, besteht bis ins Baujahr 1904; die
Tirnakapelle ist an der Nordfront nunmehr in alter
Schönheit sichtbar, die Schatzkammer über ihr ist der
Besichtigung und Andacht zugänglich. Die Gerüste
wandern, wie einst im Innern, so nun am Äußern in
östlicher Richtung vorwärts; schon ziehen sie sich an
den Streben der Nordwand hin. Es handelt sich
darum, an der Nordwand dasjenige auszuwechseln,
was den Nordstürmen voraussichtlich nicht auf die
Länge der Zeit widerstehen kann.
Es war ein mühevolles Stück Arbeit, welche unser
Verein durch seine Dombaumeister Schmidt und Her
mann im Laufe von 25 Jahren vollbracht hat. Man
kann säst sagen, daß die beiden Meister bis auf wenige
Partien von Mauerstücken, Gewölben und Zierstücken
den ganzen baulichen Bestand des Domes und seinen
Türmen mit gediegenem Steinmaterial hergestellt
haben. Immer nur wenige Jahre sind die neu ein
gesetzten Stücke durch ihre lichte Farbe erkennbar ge
blieben. Schnell genug hat der Wiener Steinkohlenrauch
und der Staub dir neuen Stücke mit den alten ega
lisiert. Auch an den Altären und Bildwerken, den
Epitaphien innen und außen hat der Verein seine echt
konservatorische Tätigkeit bewährt, kein Blatt der
wahren Kunstgeschichte im Dome getilgt.
Nur ein Teil des Ideals eines Erzbischofs Milde
und Kardinals Rauscher und ihrer Nachfolger ist aus
geführt worden: die bauliche Sicherung des
Domes nach den Plänen seiner Erbauer. Anderes hat
schon Milde selbst fallen gelassen: die Umgestaltung
der Fassade im gotischen Sinne. Wieder einen anderen ^
Teil des Milde-Ernst'schen Programmes hat der
Dombauvercin, da die Zeit der Romantik vollends
vorüber gegangen ist, nicht ausgeführt: das Ersetzen
der Barockaltäre durch stilgerecht gotische Neu
schöpsungen.
Als Erbe des Meisters Friedrich Schmidt exi
stiert in der Dombauhütte ein prachtvoller Aufriß, wie
er sich den jetzigen Halbturm ausgebaut dachtees
existieren die Zeichnungen und Pläne Schmidts
und Hermanns für die Eröffnung des Riesentors,
es existiert noch Schmidts Idee, daß am hohen
Triumphbogen, über dem Eingänge zum Hauptchor
ein großes farbiges Bild, etwa Mosaik, darstellend
das jüngste Gericht, wie beim Ulmer Dome prangen
sollte. Schmidts Gedanke an eine sehr bescheidene,
durchaus nicht aufdringliche Polychromie des Domes
verdient allerdings die Beachtung, wenn einmal die
bauliche Sicherung und die Renovierung schadhafter
Werke am Dome vollendet ist. Besonders wichtig aber
ist die Idee Schmidts, es müsse, und zwar recht
bald, der hölzerne Dachstuhl des Domes — ein ganzer
Wald (siehe oben S. 15) — durch einen eisernen
ersetzt werden, denn die Stadt wäre verloren, wenn
einmal, vom Winde verstärkt, Flammen das Dachwerl
von St. Stephan verzehrten. Das, wie die Pietät
für die am Dome vertretene Kunst, ist das Erbe
Schmidts für den Dombauverein.
Nicht Allen mag jede dieser Ideen gefallen:
Schmidt hat die neueste Phase der Denkmalspflege
nicht erlebt. Er würde auch kaum unbedingt Alles
unterschrieben haben, wie denn der Geistliche auch
des XX. Jahrhunderts nur schwer den Spruch beiseite
schieben mag: „Domine, ciilsxi üeoorem ckorrms
Duas." „Herr, ich liebe es, Dein Haus auszuschmücken."
(Psalm 25 jVulg.j 8.) Gewiß ist der für seine kirchliche
Kunst begeisterte Geistliche der Überzeugung, daß
die kirchlichen Kunstwerke nicht bloß für Kunstgelehrte
und Antiquare geschaffen sind, sondern daß die kirch
liche Kunst zuerst die gläubige Gemeinde er
bauen und erheben soll. Mit bloßem Erhalten des
Bestehenden gibt sich bis heutzutage das gläubige Volk
und seine Geistlichkeit nicht zufrieden, hört nur allzu oft
im Übereifer nicht auf die Mahnungen und Winke der
Konservatoren. Schmidt dürfte das richtige Maß
des Konservatismus innegehalten haben, selbst in der
Riesentorfrage: Erhalten was immer des Erhaltens
würdig ist, aber auch zur Geltung bringen dasjenige, was
unverdientermaßen Jahrhunderte lang vernachlässigt
war. Was an der wunderschönen Kanzel neuhergestellt
wurde, ganz nach den vorhandenen Bruchstücken und
Analogien am Werke selbst, kann doch nicht als
„Fälschung" erklärt werden, bloß um für die alten Stücke
in ihrem damaligen ruinenhaften Erhaltungszustände
zu plädieren. Da sähe die Kanzel, das vielbewunderte
Meisterwerk, wie eine Sammlung von gebrochenen
Pfeilern und Statuen aus und diente dem Dome nicht
gerade zur Ehre.
(Schluß folgt.)
Heran»,e»eben vom Wiener Dombauveretne.
Redakteur: Pros. Dr. Wttdeln, A. Nenmonn.
Äanjlei des Vereines: Stadt, fürsterzbischöfiicheS Palais.
Druckerei der k. Wiener Zeitung.